Warnung aus dem weißen Haus

Wenn ein hoch­ran­gi­ger Regie­rungs­mit­ar­bei­ter ein Buch ver­öf­fent­licht, in dem er sei­nen Chef als unfä­hi­gen Trot­tel beschreibt, gibt es ver­schie­de­ne Moti­ve die ihn dazu brin­gen könn­ten. Wobei Ver­gel­tung das nahe­lie­gends­te ist. Der unbe­kann­te Schrei­ber gib an, sich um das eige­ne Land zu sor­gen, das ein ver­meint­li­cher Narr regiert.

„A War­ning“, War­nung aus dem wei­ßen Haus heißt das Ent­hül­lungs­buch des Mit­ar­bei­ters. Wer es gele­sen hat, der kann nicht glau­ben, dass jemals ein unfä­hi­ge­rer Mensch als der jet­zi­ge Prä­si­dent die USA regiert hat. Der anony­me Autor lässt kein gutes Haar an Donald Trump. Er sei fei­ge, dumm, faul und rach­süch­tig. Zudem zei­ge der 45. Prä­si­dent der Ver­ei­nig­ten Staa­ten zuneh­mend Anzei­chen geis­ti­ger Ver­wir­rung. “Er stot­tert, lallt, ist ver­wirrt, reiz­bar und hat Pro­ble­me, Infor­ma­tio­nen zu ver­ar­bei­ten”. Auch ver­ges­se Trump oft, “was er gesagt hat oder was ihm gesagt wurde”.

Pein­lich­kei­ten sei­nen ihm nicht fremd und so ver­gleicht Anony­mus den mäch­tigs­ten Mann der Welt als “betag­ten Onkel, der ohne Hose über den Hof des Alters­heims rennt und laut übers Kan­ti­nen­es­sen flucht.”

Der Prä­si­dent leh­ne den Rechts­staat mit der in der USA-Ver­fas­sung ver­an­ker­ten Gewal­ten­tei­lung strikt ab, was dazu führt, dass Trump Befeh­le erteilt, die geset­zes­wid­rig sind. Er tue das aus Man­gel an Intel­lekt, Trumps „intel­lek­tu­el­le Faul­heit“ sei erschreckend.

Zudem sei er abso­lut bera­tungs­re­sis­tent, so habe Trump bereits 2016 auf die Fra­ge mit wem er sich zur Außen­po­li­tik bera­te, geant­wor­tet: “Ich rede mit mir selbst, Num­mer Eins, denn ich bin sehr intel­li­gent und habe vie­le Din­ge gesagt. Mein wich­tigs­ter Bera­ter bin ich selbst, und wis­sen Sie, ich habe einen guten Instinkt für die­ses Zeug.”

Die vom Bera­ter­stab aus­führ­lich zusam­men­ge­tra­ge­nen Infor­ma­tio­nen lese Trump allein schon des­halb nicht, weil er sie nicht verstehe.

Trump sei eine Gefahr für die Nati­on, er sei wie „ein Zwölf­jäh­ri­ger in einem Flug­si­che­rungs­turm, der wahl­los Knöp­fe der Regie­rung drückt, gleich­gül­tig gegen­über Flug­zeu­gen, die von der Lan­de­bahn abkom­men und den Flug­zeu­gen, die ver­zwei­felt ver­su­chen, umzulenken.“

Auch wenn es gute Grün­de für die Anony­mi­tät des Autors gibt: Wer anonym anklagt begibt sich immer in Gefahr die Per­spek­ti­ve nach eige­ner Gefühls­la­ge anzu­pas­sen, bewei­sen muss man als anony­mer Schrei­ber nichts. Und auch wenn viel bereits z.b. über Trumps cha­rak­ter­li­che Defi­zi­te bekannt ist, so könn­ten die jüngs­ten Ereig­nis­se, die geziel­te Tötung des ira­ni­schen Gene­rals Sol­ei­ma­ni, das Buch und auch das lau­fen­de Amts­ent­he­bungs­ver­fah­ren ver­ges­sen las­sen und Trump das besche­ren, was der Autor in Sor­ge um die Nati­on antreibt: Eine zwei­te Amts­zeit des Donald Trump im Herbst die­ses Jahres.

Sebastian Fitzek — Der Insasse

Die Bücher von Sebas­ti­an Fit­zek mag man oder man mag sie nicht. Sei­ne dras­ti­schen Schil­de­run­gen von Gewalt­ex­zes­sen sind nicht’s für zart besai­te­te Leser. Aller­dings lesen die auch weni­ger Psy­cho­thril­ler. Auch das neue Buch Fit­zeks spart nicht mit der­lei Beschrei­bun­gen, die Essenz holt das Buch aller­dings aus der Per­spek­ti­ve des Schi­zo­phre­nen, min­des­tens aber die Vor­stel­lung davon; die Unmög­lich­keit in einer psych­ia­tri­schen Anstalt zwi­schen Nor­ma­li­tät und Wahn­sinn zu unter­schei­den. Fit­zeks Buch „Der Insas­se“ han­delt von einem ver­zwei­fel­ten Vater, des­sen Sohn ver­schwun­den ist und des­sen mut­maß­li­cher Täter im Hoch­si­cher­heits­trakt einer Psych­ia­trie sitzt. Der ein­zi­ge Weg, um die Wahr­heit um das Ver­schwin­den des klei­nen Max Berkhoff zu erfah­ren, sieht der Vater dar­in, selbst Insas­se der Psych­ia­trie zu wer­den, um an den Täter zu kommen.

Auch in die­sem Buch schafft es der Autor, den Leser nicht nur zu fes­seln, son­dern ihn mit auf den Weg zu neh­men. Den Weg zwi­schen Schein und Wahn. Packend wie alle Psy­cho­thril­ler von Sebas­ti­an Fitzek. 

Sebastian Fitzek — Das Paket

Ein Thril­ler zeich­net sich dadurch aus, dass er die Span­nung auf­baut, die sich mög­lichst bis zur letz­ten Sei­te fort­setzt. Wenn das Buch mich nicht auf den ers­ten Sei­ten fes­selt, wan­dert es bei mir unge­le­sen ins Bücher­re­gal bzw. in die Kind­le­cloud zurück. Nicht so bei Seba­ti­an Fit­zeks Thril­ler „Das Paket“. Bereits auf den ers­ten Sei­ten schafft er es, die Span­nung auf­zu­bau­en und zu halten.

Fit­zek ori­en­tiert sich an King, geht aber sei­nen eige­nen Weg. Wäh­rend King Phan­ta­sien Rea­li­tät wer­den lässt, ori­en­tiert sich Sebas­ti­an Fit­zek an tat­säch­li­chen Möglichkeiten.

Bei­de Schrift­stel­ler füh­ren den Leser in mensch­li­che Abgrün­de, die span­nend genug sind, das Buch nicht aus der Hand zu legen.

Der Autor spielt mit Fik­tio­nen, mit der Phan­ta­sie sei­ner Prot­ago­nis­ten – was ist wahr und was ist erfun­den? Sind sie viel­leicht ver­rückt? Immer dann, wenn der Leser meint dem Autor auf die zu Schli­che gekom­men zu sein, wan­delt sich die Geschich­te, die Span­nung nimmt eine ande­re Rich­tung. Sebas­ti­an Fit­zek schafft es, den Leser mit­zu­neh­men und dabei – das ist die gro­ße Kunst – stim­mig ein Bild zu schaf­fen, dass dem Leser der­art plas­tisch vor Augen geführt wird, das sich die Fra­ge nach der Mög­lich­keit der­ar­tig psy­chi­scher Beein­träch­ti­gun­gen der Haupt­per­so­nen in den Thril­lern von Fit­zek nicht mehr stellt. Alle scheint mög­lich; eben­so wie alle Erklä­run­gen für die spek­ta­ku­lä­ren Vorkommnisse.

Zum Inhalt:
Die junge Psychiaterin Emma Stein, die nach einer Vergewaltigung völlig paranoid ist und das Haus nicht mehr verlässt, wird von ihrem Postboten gebeten, ein Paket für einen ihr unbekannten Nachbarn anzunehmen. Während sie, nervlich am Ende, auf das Erscheinen des Nachbarn wartet, geschehen im Haus merkwürdige Dinge.

Abgrün­dig spannend. 

Verena Lugert – Die Irren mit dem Messer

Eiser­ne Dis­zi­plin, schmerz­frei sein, Befeh­le in einer stren­gen Hier­ar­chie befol­gen und das bei 16-Stun­den Schich­ten und kar­gem Lohn.
Nein, wir spre­chen hier nicht von der Frem­den­le­gi­on, wir spre­chen von einer Eli­te, die zwar ähn­lich mili­tä­risch orga­ni­siert sind, aber statt Flecktar­nung in der Regel wei­ße Uni­for­men tra­gen. Köche in der Spitzengastronomie.

Vere­na Lugert ist Jour­na­lis­tin und das ziem­lich erfolg­reich. Trotz­dem ent­schließt sie sich noch im Alter von 39 Jah­ren eine Aus­bil­dung an der legen­dä­ren Koch­schu­le Le Cor­don Bleu in Lon­don zur Köchin zu absol­vie­ren. Bereits die Aus­bil­dung ist hart: Die Lern­in­hal­te wer­den den Azu­bis geballt im Akkord ein­ge­trich­tert. Theo­rie und Pra­xis gehen fast naht­los inein­an­der über.

Was dann als Com­mis de Cui­sine, [Jung­koch] auf sie zukommt, ist für den „Nor­mal­be­ruf­ler“ schlicht­weg nicht mehr nach­voll­zieh­bar. Lugert heu­ert als Jung­kö­chin in einer Küche des berühmt berüch­tig­ten Ster­ne Kochs Gor­don Ramsay an und erlebt die Spit­zen­gas­tro­no­mie, als dop­pelt so alte Kol­le­gin, von der Pike auf, mit allen Tie­fen und Höhen.

Die unglaub­li­chen Arbeits­zei­ten, der Stress, die Hit­ze, wüs­te Beschimp­fun­gen und ein küm­mer­li­ches Gehalt, kei­ne Armee mutet sei­nen Sol­da­ten das zu, was in einer Küche der Spit­zen­gas­tro­no­mie als nor­mal ange­se­hen wird.

Auf die Fra­ge wie der Spar­gel ob der Koch­fes­tig­keit geprüft wird, kommt die lako­ni­sche Ant­wort:“ Mit den Fin­gern im Topf, Bitch.“ Heiß? Öl hat 180°, das ist heiß.

Köche defi­nie­ren sich als Ein­heit, als Eli­te in einer Welt, die im Nor­mal­fall nie­mand zu sehen bekommt. 16 Stun­den Schich­ten sind nor­mal, sechs Tage die Woche.

Wer das nicht durch­hält und län­ger krank wird, der kün­digt – ver­schämt und mit Hin­weis auf eine Dau­er­erkran­kung. Mel­de dich nie­mals krank, heißt eine eiser­ne Regel.

Der deut­sche Ster­ne Koch Tim Raue hat sich ein­mal, als er schwer krank war, am Herd fest­ge­bun­den, um nicht weg­zu­kip­pen. Vere­na Lugert sel­ber hat eine Zeit lang in unge­sun­der Men­ge Code­in­ta­blet­ten zu sich genom­men, um die zuneh­men­den Rücken­schmer­zen zu ertra­gen. Wer die Regeln ver­letzt, ist von der Gemein­schaft ausgeschlossen.

Die Zube­rei­tung von Spei­sen nimmt im Buch gro­ßen Platz ein, das tut der Span­nung kei­nen Abbruch – im Gegen­teil, das Buch lässt auch dem küchen­un­er­fah­re­nen Leser das war­um verstehen.

J.D. Vance — Hillbilly Elegy

Wenn man im Netz auf J.D. Van­ce stößt, wird man nicht unbe­dingt anneh­men, dass der Jurist und Autor aus der wei­ßen Unter­schicht der USA stammt.

Hill­bil­ly Elegy heißt sein Buch, das dem Leser einen sel­te­nen Ein­blick in das Leben derer gestat­tet, die am Rand der Gesell­schaft stehen.

1Hill­bil­lys nen­nen sich die Bewoh­ner der länd­lich gebir­gi­gen Gegen­den in den USA. Über­ge­sie­delt in die Indus­trie­städ­te träum­ten sie den ame­ri­ka­ni­schen Traum, der für vie­le gene­ra­ti­ons­über­grei­fend in Armut und Arbeits­lo­sig­keit ende­te. Van­ce erzählt die Geschich­te der wei­ßen Unter­schicht — sei­ner Geschichte.

Die Armut, die Gewalt, stän­dig wech­seln­de Män­ner­be­kannt­schaf­ten der Mut­ter, Opio­ide und Alko­hol ist die Par­ti­tur, aus dem sei­ne Bio­gra­phie geschrie­ben ist.
J.D. Van­ce wird in Midd­le­town Ohio gebo­ren. Zu der Zeit begann bereits der Nie­der­gang der Stadt. Der größ­te Arbeit­ge­ber, das ansäs­si­ge Stahl­werk, ent­ließ Arbei­ter, die Arbeits­lo­sig­keit stieg enorm.

Hier beginnt der Wer­de­gang von J.D. Van­ce. Der Jun­ge aus der wei­ßen Unter­schicht, der mit einer sucht­kran­ken Mut­ter, fünf­zehn ver­schie­de­nen Stief­vä­tern, einer über alles gelieb­ten schieß­wü­ti­gen und rup­pi­gen Groß­mutter und einem über­spann­ten Fami­li­en­clan auf­ge­wach­sen ist.

Das Buch ist nicht frei von Humor. Wenn der Autor von sei­ner Groß­mutter erzählt, die einen Dieb im Gar­ten mit dem Schrot­ge­wehr zur Stre­cke bringt und auch sonst nicht gera­de zim­per­lich ist, ent­behrt das nicht einer gewis­sen Komik; der Leser ist geneigt, sich eine kit­tel­be­schürz­te klei­ne­re alte Frau mit gro­ßer Bril­le und noch grö­ße­rem Schrot­ge­wehr vorzustellen.

Die Gewalt bleibt nicht inner­halb der Fami­lie, wenn z.b. der ver­sof­fe­ne Ehe­gat­te von der Groß­mutter mit Ben­zin in über­gos­sen und ange­zün­det wird und nur durch den beherz­ten Lösch­vor­gang durch ein Nach­bar­kind vorm Tod bewahrt wird.
Roh­heit und Gewalt wird gera­de­zu erwar­tet, wer als Außen­ste­hen­der ein Fami­li­en­mit­glied belei­digt, muss mit Prü­gel rechnen.

Die Lebens­um­stän­de des jun­gen Van­ce sind mehr als ungüns­tig. Allein die Groß­mutter, die ihn in ihrem Haus auf­nimmt, gibt dem Jun­gen den nöti­gen Halt.
J.D. geht sei­nen Weg. Vom Hill­bil­ly Jun­gen zum Absol­ven­ten einer der renom­mier­tes­ten Uni­ver­si­tä­ten der Welt. Trotz aller Wid­rig­kei­ten stu­diert er in Yale erfolg­reich Jura.

Das Buch gibt einen Ein­blick des wei­ßen Pre­ka­ri­ats der USA. Einer Gesell­schaft, die sich der­weil vom ame­ri­ka­ni­schen Traum weit­ge­hend ver­ab­schie­det hat.



J.D. Van­ce über den Begriff “Hill­bil­lies”
"Der Begriff "Hillbilly" meint ursprünglich einen Menschen, der aus den Appalachen stammt, zum Beispiel aus den Bergen von Kentucky wie meine Familie. Ein typischer Hillbilly stammt von schottisch-irischen Einwanderern ab, er ist weiß, arm, er arbeitet hart und ist durchaus ruppig. Ein Hillbilly scheut nicht davor zurück, ein paar Hiebe auszuteilen, wenn man ihn beleidigt. Millionen dieser Leute sind nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Süden der USA in den Mittelwesten gezogen, um dort in der Industrie, in den Fabriken und Stahlwerken zu arbeiten. Ich verwende den Begriff in meinem Buch daher für die gesamte untere weiße Arbeiterklasse im so genannten "Rostgürtel".

Quel­le: suedeutsche.de

Martin Suter — Elefant

Wenn Alko­ho­li­ker wei­ße Mäu­se sehen, ist das ja noch irgend­wie nach­voll­zie­bar, aber rosa Elefanten?

Der Obdach­lo­se, ehe­ma­li­ge [aus­ge­rech­net!] Invest­ment Ban­ker Scho­ch, eigent­lich Dr. Scho­ch, gerät in den Besitz eines rosa Mini-Ele­fan­ten, der zudem im Dun­keln leuchtet.

Schnell wird klar, dass es sich um ein gen­ma­ni­pu­lier­tes Tier han­deln muss, des­sen Exis­tenz offen­bar dazu ange­dacht ist, als leben­des Spiel­zeug sol­ven­ter Kun­den zu dienen.
Bald ist Scho­ch und sei­nen neu­en Freun­den, neben skru­pel­lo­sen Wis­sen­schaft­lern und einem Zir­kus­di­rek­tor, auch die chi­ne­si­sche Mafia auf den Fer­sen. Mit Hil­fe einer Tier­ärz­tin und einem indi­schen Ele­fan­ten­flüs­te­rer gelingt es ihm, das Wun­der­tier dem Zugriff geld­gie­ri­ger Pro­fi­teu­re zu entziehen.

Mar­tin Suters Roman „Ele­fant“ ist eine Fabel, die die Mach­bar­keit gen­tech­ni­scher Ver­än­de­run­gen mora­lisch in Fra­ge stellt.

Auch wenn es sich nicht so liest, des schein­bar leicht geschrie­be­nen Romans bedurf­te es eini­ges an Vorarbeit.

In der Dank­sa­gung auf den letz­ten Sei­ten wird klar, wie viel Arbeit und Recher­che der Schwei­zer Schrift­stel­ler für das Buch ein­ge­bracht hat.

Bei den Obdach­lo­sen hat sich Suter eben­so umge­se­hen, wie bei Ele­fan­ten­ex­per­ten. Die umfang­rei­chen Recher­chen merkt man dem Buch an: Es ist mit viel Herz­blut geschrieben.

Die Idee zum Buch indes stammt von Prof. Dr. Mathi­as Jucker: "Er war es nämlich, der mir vor zehn Jahren gesagt hat, es wäre gentechnisch möglich, einen winzigen, rosaroten Elefanten zu erzeugen. Diese Vorstellung hat mich nicht mehr losgelassen," so Mar­tin Suter. Aus die­sem einen Satz form­te er ein span­nen­des und anrüh­ren­des Buch.

Die Geschich­te der klei­nen Ele­fan­ten­kuh Sabu ist ein Mär­chen; nicht die schlech­tes­te Lek­tü­re, auch für Erwachsene.

Panikherz

Wenn man Stuck­rad-Bar­res Buch Panik­herz liest, ist die Ver­wun­de­rung groß. Nicht so sehr über das, was er erlebt hat, son­dern dar­über, dass er es über­lebt hat.

Panik­herz ist eine Auto­bio­gra­phie eines Teil­ab­schnitts eines Lebens, das in der Regel mit dem Tod endet.
Stuck­rad-Bar­re lässt den Leser teil­ha­ben an einem kome­ten­haf­ten Auf­stieg eines, ja was eigentlich?
Eines Schrei­ben­den, eines Getrie­be­nen. Der Leser bekommt Ein­blick in die Syn­ap­sen eines hoch­gra­dig süch­ti­gen Men­schen und das mit ent­waff­nen­der Ehrlichkeit.

Er ist mit Anfang zwan­zig bereits da, wo ande­re nie hin­kom­men. Hoch­ge­lob­ter Musik­kri­ti­ker, ers­tes Buch mit 23 Jah­ren. Vier Bücher in drei Jah­ren. Eige­ne TV-Show. Ganz oben. Die Kri­ti­ker fei­ern ihn als der neu­en deut­schen Pop­li­te­ra­ten der 1990er Jahre.

Die Kehr­sei­te: Stuck­rad Bar­re ist im Dau­er­rausch, außer­dem Bulemiker.

Den für Koka­in typi­sche Wahn setzt er eben­so gekonnt lite­ra­risch in Sze­ne, wie die klas­si­sche Kon­di­tio­nie­rung des Sucht­hirns, sich bereits beim Vor­be­rei­ten des Rausch­zu­stands den ers­ten Kick zu verschaffen.

Das Buch ist auch eine Lie­bes­er­klä­rung: An den Mann näm­lich, der den Autor seit sei­nen frü­hes­ten Kind­heits­ta­gen musi­ka­lisch beglei­tet hat und aus des­sen Tex­ten sich sei­ne Lebens­ab­schnit­te in sehn­suchts­vol­ler Dra­ma­tik zu ver­wirk­li­chen scheinen.

Udo Lin­den­berg, Panik­prä­si­dent und ein Wis­sen­der in Sachen Lady Whis­ky und ande­ren Sti­mu­lan­zen. Aus­ge­rech­net Udo Lin­den­berg, der Abschnit­te sei­nes Lebens in einer dau­er­be­rausch­ten Selbst­ver­ständ­lich­keit selbst unter­zu­ge­hen droh­te, half dem Unter­ge­hen­den zurück in die Nüchternheit.

Ande­re tau­chen auf, Schrift­stel­ler, Musi­ker, alles Künst­ler, mit denen Stuck­rad-Bar­re irgend­wie zu tun hat­te. In sol­chen Momen­ten ist der Leser ist geneigt, den Autor als selbst­ge­fäl­li­gen, pri­vi­le­gier­ten Schnö­sel aus der Ober­schicht festzulegen.

Hier schreibt einer sei­nen Sucht­be­richt. Das ist nichts Neu­es, vie­le haben das vor ihm getan. Was ihm fehlt ist die Kom­pro­miss­lo­sig­keit, die Ent­gül­tig­keit. Die kann er nicht beschrei­ben, die hat er nur am Ran­de erlebt.

Sei­ne Sucht­bi­lanz zieht er aus der Wider­sprüch­lich­keit einer Drogensucht:

"Die vielleicht deprimierendste Eigenschaft einer Drogensucht ist, dass sie zu einem wirklich spießigen Leben führt. Wenn wir Spießertum definieren als eine totale, zwanghafte Regelmäßigkeit, die nichts so fürchtet wie Varianten und Abwechslung."

Ben­ja­min Stuck­rad-Bar­res Buch ist das Pro­to­koll sei­ner Sucht, lite­ra­risch gelungen.

Heinz Strunk — der goldene Handschuh

Heinz_Strunk__Der_goldene_Handschuh

Wer als Leser einen klei­nen Ein­blick in die Trost­lo­sig­keit ver­lo­re­ner See­len haben möch­te, ist bei Heinz Strunks neu­em Roman genau richtig.

Schau­platz des Romans um den Seri­en­mör­der Fritz Hon­ka ist die Knei­pe „Zum gol­de­nen Hand­schuh“ auf der Ree­per­bahn in den sieb­zi­ger Jah­ren. Ort für die­je­ni­gen, die der Alko­hol und die Umstän­de zu kör­per­li­chen und see­li­schen Wracks gemacht hat.

So auch Fritz Hon­ka, den alle nur als Fie­te ken­nen. Fie­te hat in sei­ner Jugend bereits reich­lich Erfah­rung mit all dem gemacht, was die Knei­pe all­täg­lich zu bie­ten hat: Alko­hol, Gewalt, Exzes­se, Blut und Ekel. Davon han­delt der Roman und davon erzählt sein Autor Heinz Strunk der­art detail­liert, dass emp­find­li­che Gemü­ter das Buch bes­ser nicht lesen sollten.

Wer bspws. noch nicht so genau wuss­te, wie es sich anfühlt, nach einer durch­zech­ten Nacht mor­gens auf­zu­wa­chen und ein stin­ken­des, zahn­lo­ses sab­bern­des mensch­li­ches Wrack neben sich im Bett zu haben, der soll­te Strunk lesen.

Der Auf­hän­ger in Strunks Roman ist der Seri­en­mör­der Hon­ka, der zwi­schen Dezem­ber 1970 und Janu­ar 1975 in Ham­burg vier Frau­en ermor­de­te. Das Buch ist aller­dings kein Kri­mi, son­dern eher eine Milieu­stu­die über die, deren „Gleich­mut es erlaubt, bei leben­di­gem Leib zu verrotten.“

Wobei der kör­per­li­che Ver­fall durch die Dro­ge Alko­hol dem geis­ti­gen in nichts nachsteht.

Unwei­ger­lich stellt sich die Fra­ge nach einem Ver­gleich zu Bukow­ski; der Unter­schied ist gewal­tig: Bukowk­si kann jeder noch so häss­li­chen Situa­ti­on etwas abgewinnen,in Bukow­skis meist auto­bio­gra­phi­schen Erzäh­lun­gen ver­bleibt zumin­dest ein Rest Humor.

Strunks Roman ist humor­frei und blickt in den Abgrund des sadis­ti­schen Mör­ders Hon­ka und der abso­lu­ten Ver­ro­hung mensch­li­chen Daseins.

Inside IS

Jür­gen Toden­hö­fer ist ein Mann mit vie­len Talen­ten. Er war Rich­ter, Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ter, Vor­stands­mit­glied des Medi­en­kon­zerns Bur­da und Jour­na­list. Außer­dem hat Toden­hö­fer an die zehn Bücher geschrie­ben. Sein neu­es Werk heißt Insi­de IS – 10 Tage im isla­mi­schen Staat; der Titel ist dabei Pro­gramm. Toden­hö­fer bereist als Publi­zist durch den isla­mi­schen Staat bis Mossul.

Ein­zi­ge Sicher­heit wäh­rend sei­ner Rei­se ist eine vom Kali­fen des IS, Abu Bakr al-Bagh­da­di aus­ge­stell­te Urkun­de, die den Rei­sen­den siche­res und frei­es Geleit garan­tiert. Toden­hö­fer ist in der isla­mi­schen Welt als Kri­ti­ker impe­ria­lis­ti­scher Poli­tik bekannt. Vor­ab beschreibt Toden­hö­fer etli­che Inter­views via Sky­pe, allen vor­an mit dem deut­schen Kon­ver­ti­ten Chris­ti­an Emde, der sich jetzt Abu Qata­dah nennt.

Die lebens­ge­fähr­li­che Rei­se, die Toden­hö­fer zusam­men mit sei­nem Sohn unter­nimmt, endet nach zehn Tagen zurück in der Tür­kei. Toden­hö­fer beant­wor­tet mit sei­nem Erleb­ten die drän­den­den Fra­gen, die sich wohl jeder in der heu­ti­gen Zeit stellt: Wie mäch­tig ist der Isla­mi­sche Staat? Was treibt deren Gefolgs­leu­te zu den Gräul­ta­ten? War­um las­sen sich täg­lich Deut­sche und ande­re Natio­na­li­tä­ten als Kämp­fer für den IS ausbilden?

Ein span­nen­der Ein­blick in den All­tag einer Terrorgesellschaft.