Billig kostet

Schnell, effi­zi­ent, preis­wert und mit guter Qua­li­tät, das fällt einem wohl zuerst ein, wenn man Name des größ­ten und bekann­tes­ten Dis­coun­ters hört. Beschwer­den gab es kaum, die Buh­män­ner des Dis­count­ge­wer­bes waren immer ande­re. Jetzt hat ein ehe­ma­li­ger Mana­ger aus­ge­packt und gibt einen detail­lier­ten Blick hin­ter die Kulis­sen des Impe­ri­ums der Gebrü­der Albrecht. Andre­as Straub war 23 Jah­re alt, als er bei Aldi anfing. Fünf Jah­re war Straub bei Aldi tätig, zuerst als Trai­nee, zuletzt als Bereichsleiter.

Sei­ne Erfah­run­gen hat er in einem Buch ver­öf­fent­lichst: ”Aldi – Ein­fach bil­lig”, lässt den Leser hin­ter die Kulis­sen des mäch­ti­gen Dis­coun­ters sehen. Das was Straub zu berich­ten hat, zeigt ein para­no­ides Sys­tem, dass sei­ne Mit­ar­bei­ter bis ins kleins­te über­wacht und gän­gelt. Abmah­nun­gen sind an der Tages­or­dung; mit Dro­hun­gen und Mob­bing wer­den unlieb­sa­me Mit­ar­bei­ter zu Auf­he­bungs­ver­trä­gen gedrängt.
Gegen­sei­ti­ges Anschwär­zen ist durch­aus erwünscht. Der Kon­troll­wahn geht soweit, Fili­al­lei­tern den exak­ten Inhalt der Schreib­tisch­schub­la­den vor­zu­schrei­ben. Straub beschreibt sei­ne Arbeit als Trai­nee mit bis zu 15-Stun­den Tagen und den, wenn auch kur­zen, Auf­stieg zum Bezirks­lei­ter bei Aldi Süd. Mehr über Andre­as Straub auf sei­ner Sei­te www.andreasstraub.com

Der Anschlag

Ange­nom­men, es wäre mög­lich, in die Ver­gan­gen­heit zu rei­sen. Was wür­de pas­sie­ren, wenn dort die Gege­ben­hei­ten ver­än­dert wür­den? Wenn man also die Geschich­te umschrei­ben könn­te? Tref­fen die Din­ge dann so ein, wie man sie erwar­tet? Was ist mit dem Schmet­ter­lings­ef­fekt, dem Effekt also, von dem ver­mu­tet wird, dass win­zi­ge Ver­än­de­run­gen in kom­ple­xen Sys­te­men ver­hee­ren­de Fol­gen haben können?
Das alles sind Fra­gen, die sich Ste­phen King in sei­nem neu­en Buch „Der Anschlag“ stellt.

Zur Geschich­te: Der Leh­rer Jake Epping zwei­felt an sei­nem Ver­stand, als er von sei­nem Freund, dem Diner-Besit­zer Al Temp­le­ton, eine ver­steck­te Trep­pe in der Spei­se­kam­mer gezeigt bekommt, die in das Jahr 1958 zurück­führt. Die Zeit­rei­se dau­ert in der Gegen­wart immer nur zwei Sekun­den, egal wie lan­ge der Zeit­rei­sen­de sich in der Ver­gan­gen­heit auf­hält. Der ster­bens­kran­ke Al über­re­det sei­nen Freund, in die Ver­gan­gen­heit zu rei­sen, um den Atten­tä­ter Lee Har­vey Oswald zu töten und so das Atten­tat auf John F. Ken­ne­dy zu ver­hin­dern. Epping reist drei Mal in die Ver­gan­gen­heit, um letzt­end­lich fest­zu­stel­len, dass sich ers­tens die Ver­gan­gen­heit dage­gen wehrt geän­dert zu wer­den und zwei­tens die Ver­än­de­rung einen wei­te­ren Zeit­strang aus­löst, eine Par­al­lel­welt, die auf­grund des Ein­grei­fens in die Ver­gan­gen­heit nicht unbe­dingt bes­ser ist.

Ste­phen King hat umfang­reich für das Buch recher­chiert, das ist dem 1000 Sei­ten Roman anzu­mer­ken. Die poli­ti­schen Ein­flüs­se im Jahr vor der Ermor­dung Ken­ne­dys, die Lebens­wei­se ame­ri­ka­ni­scher Klein­städ­ter, die Bio­gra­phie des Atten­tä­ters, die Theo­rie von Zeit­rei­sen, all die­se Infor­ma­tio­nen hat der Autor span­nend ver­packt, wobei der vor­der­grün­di­ge Hor­ror sich an der Fra­ge fest­macht, was pas­siert, wenn ein ein­zel­ner Mensch, auch aus heh­ren Absich­ten, den Lauf der Din­ge ver­än­dern könnte?

Schoßgebete

Schrei­ben ist The­ra­pie, könn­te der Unter­ti­tel des neu­en Buches „Schoß­ge­be­te“ von Char­lot­te Roche hei­ßen; tat­säch­lich scheint sich die jun­ge Autorin an ihrem Alter Ego abzu­ar­bei­ten. Eliza­beth ist 33 Jah­re jung, see­lisch völ­lig ver­korkst und des­halb in stän­di­ger Behand­lung durch ihre The­ra­peu­tin, der sie, eben­so wie dem geneig­tem Leser, in aller Aus­führ­lich­keit von ihrem Sex­le­ben erzählt.

Eliza­beth ist in zwei­ter Bezie­hung mit dem älte­ren Georg ver­hei­ra­tet, dem sie alle sexu­el­len Phan­ta­sien, nebst Puff­be­such zu zweit, erfüllt. Neben­bei ver­sucht sie, ihrer Toch­ter eine gute Mut­ter zu sein und ihr Trau­ma vom Auto­un­fall, bei dem drei ihrer Brü­der star­ben, zu verarbeiten.
Das alles scheint Par­al­le­le zum wirk­li­chen Leben der Char­lot­te Roche zu sein – wie die Haupt­per­son ihres Buches, ver­lor auch Roche drei Brü­der bei einem Auto­un­fall, lei­det auch sie unter der Schei­dung der Eltern, die sie im übri­gen bereits in ihrem ers­ten Buch „Feucht­ge­bie­te“ ver­sucht hat zu verarbeiten.

Ob das Buch nun Lite­ra­tur oder ein auto­bio­gra­phi­scher The­ra­pie­ver­such ist, kann dem Leser egal sein – Kunst ist es alle­mal, denn die ent­waff­nen­de Art der Roche lässt den Leser unwei­ger­lich bei jedem fünf­ten Satz fra­gend ob der aus­führ­li­chen Beschrei­bung zusammenzucken.

Muss man nun so detail­liert beschrei­ben, was die Vor­stel­lung zumin­dest sche­men­haft sowie­so erfasst hät­te? Mann muss nicht, aber man kann – und Char­lot­te Roche kann.

Oder, um es mit Kant zu sagen: Sie kann, weil sie will, was sie muss.

Randgruppe Adel

Nicht erst seit dem Rück­tritt des Karl Theo­dor Frei­herr von und zu Gut­ten­berg vom Amt des Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ters heu­te, wis­sen wir: Der Adel lei­det. Weni­ger an Schwund, denn an Repu­ta­ti­on und an sich selbst. Vom gemei­nen Volk belä­chelt, bewun­dert oder bestaunt, hat der Adel in auf­op­fern­der Wei­se bspws die von Thi­lo Sar­ra­zin emp­foh­le­ne Ener­gie­ein­spa­rung, bereits in ihren Schlös­sern umge­setzt. Das zumin­dest schreibt Grä­fin von Brühl in ihrem Buch: „Nobles­se obli­ge — Die Kunst ein adli­ges Leben zu führen.“

„Zahl­rei­che Adli­ge leben selbst­ver­ständ­lich und unver­dros­sen auf einem Schloss oder in einer stein­al­ten Burg. Ange­nehm ist das nicht immer. Wer sich nur ein ein­zi­ges Mal nachts bei eisi­ger Käl­te aus sei­nem war­men Bett über einen dunk­len, end­lo­sen men­schen­lee­ren Flur, vor­bei an rie­si­gen Ölge­mäl­den mit mar­tia­li­schen Jagd­sze­nen in das Bade­zim­mer gequält hat, um einen Schluck Was­ser zu trin­ken, möch­te nie wie­der mit einem Schloss­be­sit­zer tauschen.“

Axolotl Roadkill

Axolotl Road­kill ist der Debüt­ro­man von Hele­ne Hege­mann der vor allem des­halb für Auf­se­hen gesorgt hat, weil die jun­ge Autorin sich nach Ver­öf­fent­li­chung dem Pla­gi­at­vor­wurf aus­ge­setzt sah. Über wei­te Stre­cken soll sie bei dem Blog­ger Airen abge­schrie­ben haben.

Vor­weg: Das Buch ist ein Kunst­werk, aber doch in wei­ten Tei­len ein­fach unles­bar, was weni­ger mit der dras­ti­schen Aus­drucks­wei­se des dahin­ge­rotz­ten Wor­tes zu tun hat, als ein­fach mit der Tat­sa­che, das Frau Hege­mann nichts zu erzäh­len hat.

Das ist kein Vor­wurf, Lite­ra­tur kann durch­aus expe­ri­men­tell sein. Axolotl Road­kill beschreibt einen Dau­er­rausch der sechs­zehn­jäh­ri­gen Mif­ti, die seit dem Tod ihrer Muter in Ber­lin bei ihrem Vater lebt und eine extrem nega­ti­ve Ent­wick­lung erlebt, die sie als „all­ge­mei­nes Dahin­schim­meln“ ver­stan­den hat und den­noch mit der eige­nen Kaputt­heit koket­tiert. So stürzt Mif­ti auf­grund des exor­bi­tan­ten Dogen­kon­sums immer mehr in Par­al­lel­wel­ten ab, die Hele­ne Hege­mann durch­aus wort­ge­wal­tig beschreibt.

Den Vor­wurf des Pla­gi­ats strei­tet die Autorin im Übri­gen nicht ab. In einem Dia­log im Anfang des Buches heißt es: „…, genau, weil mei­ne Arbeit und mein Dieb­stahl authen­tisch wer­den, sobald etwas mei­ne See­le berührt. Es ist egal, woher ich die die Din­ge neh­me, wich­tig ist, wohin ich sie trage.“

„Es ist also nicht von Dir?“

„Nein. Von so ‚nem Blogger.“

Anton- Die Zeit unwerten Lebens

Anton ist der zehn­jäh­ri­ge Sohn eines Leh­rers in Müns­ter. Die Geschich­te ereig­net sich in den Jah­ren des zwei­ten Welt­krie­ges. Auf­grund eines Unfalls ist Anton behin­dert, zwar ist er mathe­ma­tisch sehr begabt, doch er stot­tert, und eine Läh­mung im rech­ten Arm erschwert ihm das Schreiben.
In den Jah­ren ab 1939 sol­len behin­der­te Kin­der sys­te­ma­tisch erfasst und ver­nich­tet wer­den. Sei­ne Eltern müs­sen mit­er­le­ben, wie Leh­rer, Schü­ler und Nach­barn den Jun­gen immer unge­nier­ter schi­ka­nie­ren. Auch als sie Anton schließ­lich auf­grund der Quä­le­rei­en, vor allem durch eini­ge regime­treue Leh­rer aus der Schu­le neh­men, beginnt ein Ver­steck­spiel vor Blog­war­ten und Poli­zei, die den Jun­gen schließ­lich zur „Behand­lung“ abho­len wollen.
Antons Eltern gelingt es, ihren Sohn auf einem Bau­ern­hof zu ver­ste­cken und mit Hil­fe eines gefälsch­ten Todes­scheins sei­ne Exis­tenz zu ver­schlei­ern. Ein auf­rüt­teln­des Buch von Eli­sa­beth Zöl­ler nicht nur für Kin­der, das auf einer wah­ren Bege­ben­heit beruht: Anton war der Onkel der Autorin.

Falscher Engel

Jay Dobyns ist Spe­cial Agent bei der US-Behör­de ATF. Er schaff­te es, sich als Under Cover Agent bei den Hells Angels ein­zu­schleu­sen und dort zwei Jah­re zu ermit­teln. In sei­nem Buch “Fal­scher Engel” beschreibt Dobyns das extrem gefähr­li­che Dop­pel­le­ben, das ihn an die Gren­zen psy­chi­scher Belas­tung bringt. Dobyns merk­te, dass er sich inner­lich ver­än­der­te, sei­ne Bereit­schaft ein Voll­mit­glied des berüch­tig­ten Motor­rad­clubs zu wer­den ver­lei­te­te ihn sogar dazu, mit­hil­fe sei­ner Behör­de einen Mord an einem Mit­glied eines ver­fein­de­ten Clubs vor­zu­täu­schen, um das Ver­trau­en der Biker zu gewin­nen. Als Pro­s­pect hat­te er 24 Stun­den am Tag den Voll­mit­glie­dern zur Ver­fü­gung zu ste­hen. Um das durch­zu­hal­ten neh­men vie­le Anwär­ter Amphet­ami­ne, Dobyns war dies als Poli­zist ver­bo­ten. Er schluck­te in die­ser Zeit lega­le Auf­putsch­mit­tel in unvor­stell­ba­ren Men­gen. Die stän­di­ge Todes­angst, der Tablet­ten­miß­brauch aber auch die Fas­zi­na­ti­on ein “ech­ter Hells Angels” zu wer­den, ver­än­der­ten Dobyns Psy­che der­art, dass der ATF die Not­brem­se zog und die Akti­on abbrach. Jay Dobyns hat­te bis dahin genug hand­fes­te Bewei­se gegen ein­zel­ne Mit­glie­der des Klubs gesam­melt. Durch sei­ne Hil­fe gelang es, 50 Hells Angels aus den gesam­ten USA vor Gericht und in Haft zu brin­gen. Span­nen­der Tatsachenbericht. 

Rauhnacht

Ein Urlaubs­wo­chen­en­de mit Eri­ka in einem Luxus­ho­tel und das Gan­ze auch noch umsonst, da stört’s Kom­mis­sar Kluf­t­in­ger auch nicht das die Zwangs­be­kannt­schaft, Dr. Lang­ham­mer nebst Gat­tin Anne­gret mit von der Par­tie sind, zumal ein Kri­mi­nal­stück mit den Gäs­ten insze­niert wer­den soll, in dem Lai­en­spie­ler Klufti den berüh­me­ten Detek­tiv Her­cu­le Poi­rot spie­len darf. Aus dem Spiel wird blu­ti­ger Ernst, als ein Gast leb­los in sei­nem Zim­mer gefun­den wird. Da es über Nacht hef­tig geschneit hat, ist das Hotel kom­plett von der Umwelt abge­schlos­sen, so dass Klufti nun mit sei­nem unfrei­wil­li­gen „Kol­le­gen“ Dr. Lang­ham­mer den Fall lösen muss.

Das fünf­te Buch „Rauh­nacht“ mit dem Kult­kom­mis­sar Kluf­t­in­ger ist ein­mal mehr ein gelun­ge­ner Kri­mi der bei­den All­gäu­er Autoren Vol­ker Klüp­fel und Micha­el Kobr. Ange­lehnt an Aga­tha Christies „Mord im Ori­ent Express“, schafft das Duo einen span­nen­den Kri­mi, der sich wie­der ein­mal durch fein­sin­ni­gen Humor ob des gran­teln­den Kom­mis­sars Kluf­t­in­ger aus­zeich­net. Priml.

Ruhm

Schon vor dem offi­zi­el­len Erschei­nungs­ter­min hat­te das neue Buch des Autors Dani­el Kehl­mann für Auf­se­hen gesorgt. Der Rowohlt Ver­lag hat­te gegen den SPIEGEL Kla­ge erho­ben, weil das Nach­rich­ten­ma­ga­zin angeb­lich vor Sperr­fris­ten­de Aus­zü­ge abge­druckt hat.
In sei­nem neu­en Buch “Ruhm” tau­chen die Figu­ren in Par­al­lel­wel­ten ab. Dani­el Kehl­mann spielt mit Fik­ti­on und Rea­li­tät. Sei­ne Prot­ago­nis­ten ver­lie­ren sich in den Geschich­ten und tau­chen doch ein­zeln in der Gesamt­heit des Romans irgend­wo wie­der auf. Der Autor ist Erschaf­fer und Zer­stö­rer zugleich, was beson­ders in der Geschich­te „Rosa­lie geht ster­ben“ wun­der­bar umge­setzt ist. Rosa­lie hat Krebs und beschließt ihrem Leben wür­de­voll in einer Ster­be­kli­nik ein Ende zu set­zen. Plötz­lich bit­tet sie den Autor, ihre Geschich­te umzu­schrei­ben, sie will nicht ster­ben. Der Autor ver­sucht Rosa­lie von der Fik­ti­on ihrer Per­son zu über­zeu­gen, um schluss­end­lich die Geschich­te auf Drän­gen der Haupt­fi­gur umzu­schrei­ben. Sie ist am Ende nicht nur geheilt son­dern auch „ein jun­ges Mäd­chen ange­zo­gen wie eine alte Frau.“ Ein Eso­te­rik-Guru steht vor sei­nem Selbst­mord, eine Kri­mi­au­to­rin geht auf einer Rei­se nach Indi­en ver­lo­ren, ein Mobil­funk­tech­ni­ker ver­liert über sein Dop­pel­le­ben den Ver­stand. Kehl­mann schafft durch den meist plötz­li­chen Abbruch sei­ner Geschich­ten einen Leser, der sich am Ende selbst im raf­fi­nier­ten Spiel zwi­schen Wahr­heit und Täu­schung ver­liert, wenn er sich dar­auf ein­lässt, aber nur wenn.