Verena Lugert – Die Irren mit dem Messer

Eiser­ne Dis­zi­plin, schmerz­frei sein, Befeh­le in einer stren­gen Hier­ar­chie befol­gen und das bei 16-Stun­den Schich­ten und kar­gem Lohn.
Nein, wir spre­chen hier nicht von der Frem­den­le­gi­on, wir spre­chen von einer Eli­te, die zwar ähn­lich mili­tä­risch orga­ni­siert sind, aber statt Flecktar­nung in der Regel wei­ße Uni­for­men tra­gen. Köche in der Spitzengastronomie.

Vere­na Lugert ist Jour­na­lis­tin und das ziem­lich erfolg­reich. Trotz­dem ent­schließt sie sich noch im Alter von 39 Jah­ren eine Aus­bil­dung an der legen­dä­ren Koch­schu­le Le Cor­don Bleu in Lon­don zur Köchin zu absol­vie­ren. Bereits die Aus­bil­dung ist hart: Die Lern­in­hal­te wer­den den Azu­bis geballt im Akkord ein­ge­trich­tert. Theo­rie und Pra­xis gehen fast naht­los inein­an­der über.

Was dann als Com­mis de Cui­sine, [Jung­koch] auf sie zukommt, ist für den „Nor­mal­be­ruf­ler“ schlicht­weg nicht mehr nach­voll­zieh­bar. Lugert heu­ert als Jung­kö­chin in einer Küche des berühmt berüch­tig­ten Ster­ne Kochs Gor­don Ramsay an und erlebt die Spit­zen­gas­tro­no­mie, als dop­pelt so alte Kol­le­gin, von der Pike auf, mit allen Tie­fen und Höhen.

Die unglaub­li­chen Arbeits­zei­ten, der Stress, die Hit­ze, wüs­te Beschimp­fun­gen und ein küm­mer­li­ches Gehalt, kei­ne Armee mutet sei­nen Sol­da­ten das zu, was in einer Küche der Spit­zen­gas­tro­no­mie als nor­mal ange­se­hen wird.

Auf die Fra­ge wie der Spar­gel ob der Koch­fes­tig­keit geprüft wird, kommt die lako­ni­sche Ant­wort:“ Mit den Fin­gern im Topf, Bitch.“ Heiß? Öl hat 180°, das ist heiß.

Köche defi­nie­ren sich als Ein­heit, als Eli­te in einer Welt, die im Nor­mal­fall nie­mand zu sehen bekommt. 16 Stun­den Schich­ten sind nor­mal, sechs Tage die Woche.

Wer das nicht durch­hält und län­ger krank wird, der kün­digt – ver­schämt und mit Hin­weis auf eine Dau­er­erkran­kung. Mel­de dich nie­mals krank, heißt eine eiser­ne Regel.

Der deut­sche Ster­ne Koch Tim Raue hat sich ein­mal, als er schwer krank war, am Herd fest­ge­bun­den, um nicht weg­zu­kip­pen. Vere­na Lugert sel­ber hat eine Zeit lang in unge­sun­der Men­ge Code­in­ta­blet­ten zu sich genom­men, um die zuneh­men­den Rücken­schmer­zen zu ertra­gen. Wer die Regeln ver­letzt, ist von der Gemein­schaft ausgeschlossen.

Die Zube­rei­tung von Spei­sen nimmt im Buch gro­ßen Platz ein, das tut der Span­nung kei­nen Abbruch – im Gegen­teil, das Buch lässt auch dem küchen­un­er­fah­re­nen Leser das war­um verstehen.