Vernebelung der öffentlichen Wahrnehmung

Ter­ror­be­kämp­fung als Deck­man­tel für einen Überwachungsstaat?

Wer die Nach­rich­ten der letz­ten Wochen ver­folg­te, konn­te den Ein­druck gewin­nen, eine neue Gue­ril­la ent­schlos­se­ner Prot­ago­nis­ten die sich gegen den Staat, Gesell­schaft und Medi­en ver­schwo­ren haben macht mobil. Da fackelt bspsw. der Benz des Bild-Chef­re­dak­teurs Kai Dieck­mann, offen­bar aus­ge­löst durch einen Brand­an­schlag ab, Demons­tran­ten lau­fen Sturm gegen den G8 Gip­fel und auf ver­schie­de­nen Web-Sei­ten (wie auch hier) wird auf Vor­rats­da­ten­spei­che­rung und der Will­kür staat­li­cher Daten­sam­mel­wut und Obser­va­ti­ons­phan­ta­sien auf­merk­sam gemacht. Mein Mit­leid für Diek­mann hält sich in Gren­zen, blöd nur, dass so ein Gewalt­akt den For­de­run­gen nach einem Über­wa­chungs­staat Auf­trieb ver­schafft und in Phra­sen wie: “Wer nichts zu ver­ber­gen hat, der hat auch nichts zu befürch­ten“, endet. Die­se schein­bar logi­sche Argu­men­ta­ti­on geht aller­dings ein­her mit einem Gene­ral­ver­dacht aller Bür­ger, die sich gegen einen tota­li­tä­ren Staat ver­weh­ren, ent­we­der weil noch in Erin­ne­rung der jüngs­ten Geschich­te als Deut­sche Demo­kra­ti­sche Repu­blik oder in der Ver­gan­gen­heit als Nazi-Regime. Bei­de hat­ten eins gemein, die Über­wa­chung funktionierte.

Völker hört die Signale

Nach­dem Minis­ter­prä­si­dent Rütt­gers sich als Arbei­ter­füh­rer hat aus­ru­fen las­sen, Ursu­la von der Ley­en im Ver­dacht steht „jun­ge Frau­en als Arbeits­kräf­te-Reser­ve für die Indus­trie zu rekru­tie­ren“ (Mixa) und Innen­mi­nis­ter Schäub­le die Vor­zü­ge einer gut funk­tio­nie­ren­den Staats­si­cher­heit als Vor­beu­gung gegen Regime­kri­ti­ker unter dem Deck­män­tel­chen der Ter­ror­ab­wehr hoch­hält, mel­det sich auch noch Hei­ner Geiß­ler zurück und zwar als Mit­glied der Glo­ba­li­sie­rungs­geg­ner Attac.

Oettingers Kompetenzen

Baden-Würt­tem­bergs Minis­ter­prä­si­dent Gün­ther Oet­tin­ger hat sich dafür aus­ge­spro­chen, den Kün­di­gungs­schutz in Deutsch­land pro­be­wei­se aus­zu­set­zen, mel­det die Finan­cial Times Deutschland.

Das Oet­tin­ger bei man­chen Erklä­run­gen nicht ganz bei der Sache ist, hat er vor weni­gen Wochen bereits ein­drucks­voll bewei­sen. Unge­ach­tet der Tat­sa­che, dass der Kün­di­gungs­schutz mit dem Teil­zeit — und Befris­tungs­ge­setz bereits deut­lich redu­ziert ist, plärrt Oet­tin­ger nun die nächs­te Ver­bal­at­ta­cke ins Volk – und dis­qua­li­fi­ziert sich bereits zum zwei­ten Mal für den Pos­ten des Ministerpräsidenten.

Ins Nest geschissen

Der Chef­re­dak­teu­er der Bild-Zei­tung, Kai Dieck­mann, ver­sucht sich in einem Buch mit der Abrech­nung der 68er.
WELT-Kom­ment­ar­chef Alan Pose­ner, eben­falls Sprin­ger-Ver­lag Gehalts­emp­fän­ger, schrieb dazu auf der Online­sei­te sei­nes Blat­tes einen bis­si­gen Kom­men­tar, der aller­dings seit bekannt wer­den durch eini­ge Blogs gelöscht wor­den ist und sogar aus dem Goog­le-Cache ver­schwun­den ist.

„Ah ja, klar. (…) Die 68er haben K.D, gezwun­gen, als Chef­re­dak­teur der Bild­zei­tung nach Auf­fas­sung des Ber­li­ner Land­ge­richts “bewusst sei­nen wirt­schaft­li­chen Vor­teil aus der Per­sön­lich­keits­rechts­ver­let­zung Ande­rer” zu zie­hen. Die 68er zwin­gen ihn noch heu­te, täg­lich auf der Sei­te 1 eine Wichs­vor­la­ge abzu­dru­cken, und über­haupt auf fast allen Sei­ten die nied­rigs­ten Instink­te der Bild-Leser zu bedie­nen, gleich­zei­tig aber schein­hei­lig auf der Papst-Wel­le mit­zu­schwim­men. (…) Man kann nicht die Bild­zei­tung machen und gleich­zei­tig in die Pose des alt­tes­ta­men­ta­ri­schen Pro­phe­ten schlüp­fen, der die Sün­den von Sodom und Gomor­rha gei­ßelt. So viel Selbst­iro­nie muss doch sein, dass man die Lächer­lich­keit eines sol­chen Unter­fan­gens begreift. (…)
Wenn man ein biss­chen zynisch ist, auf mini­be­r­öck­te Vor­zim­mer­mie­zen gro­ßen, auf Ernst­haf­tig­keit eher weni­ger Wert legt, kann man [bei “Bild”] Kar­rie­re machen, und das ist völ­lig OK so. Einer muss es ja machen, so wie einer den Die­ter Boh­len machen muss, und einer den Papst. Aber wenn Die­ter Boh­len den Papst geben wür­de, müss­te man auch lachen, oder?“

Quel­le: bildblog.de

Das Possenspiel um Klars Begnadigung

Wes­halb letzt­end­lich Bun­des­prä­si­dent Horst Köh­ler den ehe­ma­li­gen RAF-Akti­vis­ten Chris­ti­an Klar doch nicht begna­digt hat, bleibt sein Geheim­nis. Der Druck aus dem kon­ser­va­ti­ven Lager war wohl zu groß. Aller­dings haben Poli­ti­ker aus CDU/CSU und FDP nicht nur die Begna­di­gung eines EX- Ter­ro­ris­ten ver­hin­dert, son­dern auch das Amt des Bun­des­prä­si­den­ten beschä­digt. Köh­ler hat hier­zu unbe­wusst Schüt­zen­hil­fe geleis­tet, weil er nicht auf die Aus­sa­gen von FDP-Chef Wes­ter­wel­le und CDU-Gene­ral­se­kre­tär Mar­kus Söder zum Vor­wurf einer mög­li­chen Begna­di­gung Klars Stel­lung bezo­gen hat. So muss­te der Ein­druck ent­ste­hen, der höchs­te Mann im Staa­te las­se sich par­tei­po­li­tisch von eini­gen „Kra­kee­lern“ len­ken und nicht mehr der Bun­des­prä­si­dent trifft die Ent­schei­dung einer Begna­di­gung, son­dern die Poli­ti­ker, so muss ange­nom­men wer­den, die Horst Köh­ler zum Bun­des­prä­si­den­ten “gemacht” haben. Bun­des­kanz­le­rin Mer­kels Appel­le, Respekt vor dem Amt des Bun­des­prä­si­den­ten zu wah­ren, ver­hall­ten indes­sen ohne beson­de­re Beach­tung und so könn­te die Far­ce der (Nicht) Begna­di­gung des Chris­ti­an Klar zu einer Demon­ta­ge Horst Köh­lers führen.