Der Stehpisser

Franz Josef Wag­ner ist ja so etwas wie die letz­te Bas­ti­on zur Bewah­rung pri­mi­ti­ver Urtrie­be. Für alle The­men unter­halb der Gür­tel­li­nie ist er in der Bild Zei­tung zustän­dig. Und so hat er sich natür­lich auch zur Urteils­be­grün­dung des Düs­sel­dor­fer Gerichts zum Streit zwi­schen Ver­mie­ter und Mie­ter ob der rich­ti­gen Nut­zung der Toi­let­ten­schüs­sel, ste­hen­de oder sit­zend, geäußert.

Lie­be Stehpinkler,

ich bin einer und per Rich­ter­spruch darf ich es auch wei­ter sein. „Trotz der zuneh­men­den Domes­ti­zie­rung des Man­nes“ wie es in der Urteils­be­grün­dung heißt. Domes­ti­zie­rung bedeu­tet im Wort­sinn aus wil­den Tie­ren Haus­tie­re machen. Der Sitz­pin­k­ler ist ein ein­sa­mer Mensch. Er hockt auf der Toilettenschüssel.

Der Steh­pin­k­ler liebt es, sei­nem gol­de­nen Strahl nachzusehen.Natürlich gibt es ein paar Sprit­zer daneben.
Frau­en krei­schen auf.

Die­se gel­ben Fle­cken. Was für ein Tier. Er pin­kelt in sei­nem Bad wie Wöl­fe im Wald. Es riecht so scheuß­lich wie in einer Höh­le. Ich den­ke, wenn man den Mann zu einem Haus­tier umwan­deln will, ist er kein Mann mehr. Oder was für einen Mann wollt ihr, ihr Toi­let­ten­fa­na­ti­ke­rin­nen, ihr Roh­kost­le­rin­nen, ihr Yoga­leh­re­rin­nen, ihr Frau­en im Aus­drucks­tanz, ihr Töpferinnen?

Ein Mann, der im Ste­hen pisst, ist ein Mann, wie sein Urgroß­va­ter, sein Vater. Alle Män­ner pis­sen so. Ande­re Män­ner gibt es nicht. Quel­le: Bild

Was in Wag­ners Kopf los ist, weiß ich nicht, aber die Zustän­de in sei­ner Hose dürf­ten der Zustän­de in sei­nem Bade­zim­mer ähn­lich sein. 

Wenn Worte reden könnten

Jochen Malms­hei­mer
Wenn jemand nur einen Tisch und ein Mikro­phon benö­tigt, um eini­ge hun­dert Zuschau­er zwei Stun­den lang kurz­wei­lig zu unter­hal­ten, dann ist das ein Künstler.

In dem Fall, genau­er, ein Sprach­künst­ler — Jochen Malms­hei­mer stand auf der Büh­ne der Pader­hal­le in Pader­born und prä­sen­tier­te sein Pro­gramm: „Wenn Wor­te reden könnten.“

Der Ger­nespre­cher (Eigen­wer­bung) Malms­hei­mer spann­te dabei wort­reich einen Bogen von den Wid­rig­kei­ten des Lebens im Hier und Jetzt und Frü­her bis hin zu All­täg­li­chen und Kurio­sen, wie dem ein­zig gang­ba­ren Weg des unter Druck gera­te­nen Leims in der Tube – der, nach drau­ßen auf den Weg geschickt, sei­ner ein­zi­gen Bestim­mung nach­ge­hend das tut was er soll – kle­ben nämlich.

Lei­der nicht nur am Objekt, son­dern auch an den Fin­gern. In Ver­bin­dung mit glü­hen­den Ziga­ret­ten beschreibt Malms­hei­mer ganz neue Erfah­run­gen im Zusam­men­wir­ken von Leim und Glut.

Von der wun­der­sa­men Adhä­si­ons­kraft der berühm­ten Pril­blu­men, über einen Dia­log drei­er am Lei­nen­zwang lei­den­den Prot­ago­nis­ten, nebst Hund oder die in der Jugend gemach­te Erfah­rung in dunk­len Par­ty­kel­lern der sieb­zi­ger Jah­re mit­samt dem unge­sun­den Gemen­gen­la­ge von Lam­brusco und kalo­rien­rei­chem Nudel­sa­lat auf die phy­si­sche Beschaf­fen­heit — alles das mach­te Malms­hei­mer dem Publi­kum teil­wei­ser in schöns­ter Alli­te­ra­ti­on im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes und in unter­schied­li­cher pho­ne­ti­scher Aus­prä­gung begreif- und begrifflich.

„Das Geschäft des Spre­chens, von fast jeder­mann ahnungs- und scham­frei in einer jeg­li­chen Lebens­la­ge schwung­haft betrie­ben, ist ein kom­pli­zier­te­res, als man gemein­hin ahnen möch­te. Hier wird klar, warum.“

Jochen Malms­hei­mer ist ein wort­ge­wal­ti­ger Sprach­vir­tuo­se, den zu erle­ben nicht nur für Deutsch­leh­rer ein Ver­gnü­gen ist.