Der Virus

von Peter Lohren

  Da hat es mich doch tatsächlich auch mal auf die Matte geworfen, ein Virusinfekt diagnostiziert die Ärztin. Drei Tage Fieber und das schlimmste soll vorbei sein. In den Tagen der Attacken des Virus zappe ich mich also, Langeweile genötigt, durch sämtliche Programme die das Fernsehen so zu bieten hat. Morgens zeigen die öffentlich Rechtlichen und die Privaten in seltsamer Eintracht, wie geneigte Hausfrau/Mann ohne Fett und mit viel Gemüse angeblich leckere Speisen zubereiten kann. Der Höhepunkt ist ein Pseudo- Koch, der aussieht wie ein Raver auf Ecstasy, der ein Hähnchen mit Zitronengras einer alten Matratze gleich voll stopft und dem Zuschauer auch noch glaubhaft machen will, das könne man essen.

  Bei Pro sieben sind die Dinosaurier wieder auferstanden, Dieter Bohlen gibt bei RTL als Gummipuppe sein Bestes. Auf RTL 2 läuft eine neue Staffel von Big-Brother, die sich nicht so sehr an den Kandidaten von den anderen Containersendungen unterscheidet sondern daran, dass, um den Unterhaltungswert zu steigern eine Hälfte der Gruppe in einer Art Schweinestall für die Zeit der Begaffung wohnen muss. Zwischendrin immer wieder Verkaufssendungen, wo das Pendant zum dicklichen Holländer Harry seine Schuhe auszieht, um zu beweisen, dass die angepriesene Fußsalbe auch tatsächlich auf dem Autolack keine Kratzer hinterlässt.

  Im Fieberwahn weiter im Programm zappend entdecke ich auf Sat 1 eine Person, dessen Geschlecht ich nicht zuordnen kann, auf einer Couch sitzend und über irgendetwas sprechend, dass ich auch nicht zuordnen kann. Im nächsten Kanal ist eine Moderatorin zu sehen, die Sonja heißt, die einen Mann befragt, der Axel heißt, der eine  Freundin hat, die Saskia heißt und die nun alle voneinander wissen wollen wie das Kind heißt von dem es heißt, das es von keinem der Anwesenden ist. Pro Sieben: ein magersüchtiger Moderator, mit Namen Andreas, kreischt hysterisch immer wieder die Vorzüge seines Moderatorenlebens ins Publikum, insbesondere den Vorzug, knallorangene Hemden zu braunen Jacken und gestreiften Hosen anziehen zu können, ohne in eine Zwangsjacke gesteckt zu werden.

  Nachmittags geben dann alle Kanäle "echte Gerichtsverhandlungen mit echten Richtern und echten Angeklagten". Der Fall mit der Party im Zoo beim Tierpfleger, dessen Kumpel sich total betrunken in das Affengehege aufmacht, um mit einem Schimpansen Whiskey zu trinken, derweil der Pfleger nichts gemerkt haben will, weil er zur Tatzeit die Zoodirektorin vögelt, wird mir als warnende Erinnerung an nachmittägliche Fernseherlebnisse bleiben.

  Nach drei Tagen schien der Virus bekämpft, das Fieber sank und ich träumte davon, mit der 2200 Mann starken Besatzung des Raumschiffs Enterprise im Kabelnetz loszuziehen, um neue Programme zu erforschen, neue Sendeformate zu erkunden und sämtliche Programmdirektoren in ferne Galaxien zu beamen, wo sie gezwungen sind vereint vor einem 1200 Quadratmeter großen Bildschirm den geballten Schwachsinn den sie zu verantworten haben permanent in einer Wiederholungsschleife gucken zu müssen.

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