Wie man merkt, dass man alt wird

Ich hat­te es immer befürchtet:

Wenn die erst 13jährige ihnen einen U‑Bahn Platz anbie­tet, wenn Sie drei Tage brau­chen, um nach einer Knei­pen­sause wie­der gera­de­aus­gu­cken zu kön­nen, wenn ihre klei­nen Geschwis­ter bereits über vier­zig sind, sie ihre Klei­dung mehr unter Aspek­ten der Bequem­lich­keit als unter modi­schen aus­wäh­len, obses­siv Vögel füt­tern oder immer dar­auf ach­ten, für das Wet­ter pas­send ange­zo­gen zu sein, dann ist es soweit: Sie wer­den alt!

Ver­fas­ser unbekannt

Drei Wochen ohne Netz

Eine Zeit ohne Inter­net bedeu­tet: Eine Zeit lang Din­ge umständ­lich klä­ren, für die ein Klick ins Netz gereicht hät­te. Und das stän­dig. Natür­lich kann man sich den ver­staub­ten Brock­haus aus dem Regal zer­ren, um nach­zu­schau­en, ob Poly­ne­si­en im Pazi­fik liegt, oder Wal­lace Hume Caro­thers tat­säch­lich der Ent­de­cker der Nylon­strümp­fe ist.

All das ist off­line mög­lich; es dau­ert nur ent­spre­chend lan­ge. Und ob die Auf­merk­sam­keit reicht, stun­den­lang eine doch eher belang­lo­se Fra­ge beant­wor­tet zu wis­sen, ist doch eher zwei­fel­haft. Bei mir zumin­dest. Ich will manch­mal Din­ge wis­sen, die eigent­lich so banal sind, dass ich eine stun­den­lan­ge Off­line Suche von vor­ne­her­ein aus­schlie­ßen kann. Gut, es sind nicht nur die­se Din­ge, an denen ich in den letz­ten Wochen fest­ge­macht habe, dass ein Leben ohne Inter­net für mich nicht mehr in Fra­ge kommt: Preis­ver­glei­che, Bestel­lun­gen, die die das Bestell­te inner­halb eines Tages ins Haus lie­fern las­sen, Tests, Kun­den-Rezes­sio­nen, War­um die Kat­ze nach Genuss von Hus­ten­bon­bons schielt, usw. usf.

Alles Din­ge, die ohne Inter­net nicht oder kaum mög­lich sind. In der letz­ten Woche wur­de in den Nach­rich­ten vor gerie­be­nem Käse gewarnt, der mit Lis­te­ri­en ver­un­rei­nigt war. Nicht nur, dass ich ger­ne gegoo­gelt hät­te, was Lis­te­ri­en über­haupt sind und wel­che Gefah­ren zu erwar­ten gewe­sen wäre; für wei­te­re Infor­ma­tio­nen ver­wies der Mode­ra­tor auf die Inter­net­sei­te der Redak­ti­on, um die ver­un­rei­nig­ten Char­gen der Ver­pa­ckun­gen zu bestim­men. All das konn­te ich nicht nach­le­sen, da ich zu die­ser Zeit reno­vie­rungs­be­dingt kein Netz hatte.

Natür­lich habe ich in Erman­ge­lung der Infor­ma­tio­nen, wel­che Char­gen die War­nung betraf, sämt­li­chen Rei­be­kä­se weg­ge­wor­fen. Immer­hin sechs Packun­gen. Und so hal­te ich es in Abwand­lung an das Lori­ot­sche Zitat: Ein Leben ohne Inter­net ist mög­lich, aber sinn­los und auch gesund­heits­ge­fähr­li­cher – zumin­dest wenn man gerie­be­nen Käse mag.

Alle Jahre wieder

Weih­nach­ten ist Weih­nach­ten und gut ist’s. Danach muss der Baum raus. Mög­lichst direkt am Neu­jahrs­tag. Gibt regel­mä­ßig Miss­stim­mung. Auch mit der Kat­ze. Ver­su­che, der Kat­ze bei­zu­brin­gen an den Weih­nachts­baum zu pin­keln, um den Ver­derb des­sel­ben zu för­dern, schei­tern regel­mä­ßig – an der Katze.

Zwei­ter Ver­such: Nadeln mit der Pin­zet­te raus­zie­hen, um den natür­li­chen Ver­gang des Baums zu simu­lie­ren. Wird natür­lich von der bes­se­ren Hälf­te durch­schaut, hat­te das Lamet­ta ver­ges­sen wie­der auf­zu­hän­gen, das mit run­ter­kam. Bestechen­de Logik der bes­se­ren Hälf­te:„ Lamet­ta fällt nicht allei­ne vom Baum.“

Vor­ges­tern dann end­lich: Zwei­ge bie­gen sich unter der Last des Schmucks und ob der Tro­cken­heit des Baums.

Plötz­lich das erlö­sen­de Kom­man­do: „Der Baum muss raus.“ End­lich, das neue Jahr kann beginnen.

Wichtige Fragen des Lebens

Es gibt kei­ne dum­me Fra­gen, nur dum­me Ant­wor­ten. Tat­säch­lich scheint es so zu sein, das es mehr Fra­gen als Ant­wor­ten gibt, gäbe es nicht das Inter­net. Die Sei­te gutefrage.net lis­tet alles auf, was der wiss­be­gie­ri­ge Nut­zer schon immer fra­gen woll­te, aber nie gewagt hat zu fra­gen. So hat sich bei mir die wich­ti­ge Fra­ge fest­ge­setzt, wie­so ich bei der Auto­wä­sche an der Tank­stel­le nach dem Vor­han­den­sein eines Heck­schei­ben­wi­scher am Auto gefragt wer­de und bei posi­ti­ver Ant­wort eine Plas­tik­tü­te mit­be­kom­me, die ich behän­de über den Wischer strei­fen soll. Tat­säch­lich habe ich, obgleich plat­zend vor Neu­gier, nie den Mut gefun­den, die freund­li­che Tank­stel­len­be­sit­ze­rin zu fra­gen, was für einen Zweck das Ein­pa­cken des Heck­schei­ben­wi­schers in Folie ver­folgt. Wäre es als Schutz­maß­nah­me für bswps. das Ein­sprü­hen mit Heiß­wachs gedacht, stell­te sich die Fra­ge nach dem Ein­satz natür­lich auch für die vor­de­ren Wischer.

Zuhau­se goo­gel­te ich schließ­lich den Sinn des ein­ge­pack­ten Heck­schei­ben­wi­schers. Zu mei­nem Erstau­nen wur­de ich sogar fündig:

„Es hat etwas mit der beson­de­ren Stel­lung des Heck­schei­ben­wi­schers zu tun, dass sich die Bors­ten ver­fan­gen kön­nen. Die­se Foli­en ver­hin­dern das.“

Der Ver­such aller­dings, mit mei­nem tief­grei­fen­den Goog­le Wis­sen bei mei­ner bes­se­ren Hälf­te zu glän­zen, geht regel­mä­ßig schief. Als ich mit stolz­ge­schwell­ter Brust und sie­ges­si­che­rem Lächeln die Fra­ge nach dem Plas­tik­über­zug stell­te, bekam ich die Ant­wort: „Natür­lich, damit er nicht von den Wasch­bürs­ten abge­ris­sen wird.“

Die Taube

Seit zwei Tagen sitzt nun die­se Tau­be auf der Haus­trep­pe. Ziem­lich zahm und ziem­lich dumm, wenn ich das mal so sagen darf, sind wir doch im Besitz einer Kat­ze, die ins­be­son­de­re in die­ser Jah­res­zeit, hor­mon­ge­steu­ert ein gutes Dut­zend ihrer Spe­zi­es anzieht, die dann näch­tens im Gar­ten umher­schlei­chen. Ich weiß nicht, ob eine Tau­be den Gour­met­an­sprüch­gen eines Kat­zenen­tiers genügt, aber ich kann mir vor­stel­len, dass ein lie­bes­tol­ler Kater, der hor­mon­ge­steu­ert wie von Sin­nen im Gar­ten her­um­schleicht, eben nicht zu der Gat­tung zählt, die unbe­dingt einen Hang zu Mit­leid haben, schon gar nicht mit einem Federvieh.

Bis­her hat die Tau­be Glück gehabt, weil ich sie gegen Abend auf eine höher gele­ge­ne Über­da­chung gesetzt habe, die zwar auch nicht kat­zen­si­cher ist, aber wenn sich der Vogel ruhig ver­hält (was er wohl getan hat), ist die Chan­ce des Über­se­hen und damit Über­le­bens ziem­lich groß. Zumin­dest in der Nacht, denn tags­über sitzt die Tau­be, wie auf dem Prä­sen­tier­tel­ler, auf der Haus­trep­pe und ihr Über­le­ben sichert momen­tan nur das Som­mer­wet­ter. Das Fell­tier, das bei uns wohnt, ist näm­lich mit­nich­ten bereit, bei Tem­pe­ra­tu­ren um 30° auch nur einen Schritt nach drau­ßen zu machen. Die­se Kau­sa­li­tät sichert der Tau­be momen­tan ihr Über­le­ben. Wie lan­ge noch, weiß ich nicht abzuschätzen. 

Strompreis und Algorithmus

Schrei­ben des Strom­ver­sor­gers: „Ihr Strom­ver­brauch ist im letz­ten Jahr erheb­lich gesun­ken, des­halb kön­nen wir ihnen die erfreu­li­che Mit­tei­lung machen, dass die monat­li­chen Abschlags­zah­lun­gen gesenkt werden.“

Hin­weis mei­ner bes­se­ren Hälf­te, dass dies allein dem halb­jäh­ri­gen Auf­ent­halt unse­rer Toch­ter in den USA geschul­det sei.

Schrei­ben an den Strom­ver­sor­ger, mit der Bit­te, den Abschlag bei­zu­be­hal­ten, da eine Zufalls­va­ria­ble mit nicht end­li­cher Vari­anz auf­ge­taucht sei, die die neue Berech­nung der monat­li­chen Abschlä­ge ad absur­dum führe.

Marodes

O.K, ab einem gewis­sen Alter treibt nicht nur die Pro­phy­la­xe den Men­schen zum Arzt, das scheint mir ähn­lich eines alten Autos in der Natur der Sache zu lie­gen, sämt­li­che Fach­ärz­te auf­su­chen zu müs­sen, um zumin­dest den Ver­such zu star­ten, wich­ti­ge Funk­tio­nen wie­der her­zu­stel­len, bzw. eini­ger­ma­ßen zu erhal­ten. In so fern sind mein Auto und ich eigent­lich eine Ein­heit. Das Auto zum TÜV, der Mensch zum Arzt.

Wobei tem­po­rär tat­säch­lich der Ver­fall des Autos par­al­lel zum mensch­li­chen Ver­fall ein­her zu gehen scheint. Selbst die Dia­gno­se des Autos durch den Werks­meis­ter lie­ße sich pro­blem­los auf die mensch­li­che Mor­bi­di­tät anwen­den: „Tja, ist halt schon ein biss­chen älter, da müs­sen wir mal gucken, ob sich das noch lohnt.“

Der Werks­meis­ter aller­dings hat den Vor­teil, alle anste­hen­den Repa­ra­tu­ren sozu­sa­gen unter einem Dach erle­di­gen zu kön­nen. Ärz­te sind an der Stel­le nicht so fle­xi­bel und so ist es ange­ra­ten, sich Ter­mi­ne für die ver­schie­de­nen Fach­ärz­te frei zu halten.

Für Ästhe­ten emp­fiehlt sich ein Besuch des Haut­arz­tes übri­gens nur im Winter.

Was im Som­mer dort an der­ma­to­lo­gi­schen Kurio­si­tä­ten offen zur Schau getra­gen wird, spot­tet jeder Beschrei­bung. Fuß­pilz­er­krank­te Pati­en­ten, mei­ner Mei­nung nach im End­sta­di­um, zumin­dest was die Füße angeht, ver­su­chen eine Lin­de­rung der Erkran­kung ent­we­der mit offe­nen San­da­len oder gleich mit Weg­las­sen des Schuh­wer­kes. Groß­flä­chi­ge Haut­ir­ri­ta­tio­nen in Form von Ekze­men oder Pil­zen wer­den näs­send, rot und schup­pend eben­so unge­niert zur Schau gestellt, wie das Zer­stö­rungs­werk horn­lie­ben­der Fadenpilze.

Gut, dass wenigs­tens das Auto durch den TÜV ist.

Abschied von der Haselnuss

Ob wohl dem WDR 4 die wer­be­re­le­van­te Ziel­grup­pe weg­stirbt? Heu­te Mor­gen im sonst so schla­ger­fes­ten Hör­funk­pro­gramm spiel­ten die ver­ant­wort­li­chen Mode­ra­to­ren jeden­falls Paul McCart­neys Mull of Kentyre.

Die Erklä­rung zur “sach­ten” Moder­ni­sie­rung des ange­staub­ten Sen­ders von deutsch­spra­chi­gem Lied­gut, geht wohl tat­säch­lich mit einer geän­der­ten Ziel­grup­pe ein­her und wird mit für Men­schen mei­nes Alters erschre­cken­der Logik begrün­det: Die Hörer des Sen­ders, die ins­be­son­de­re deut­sche Schla­ger zu ihren Favo­ri­ten gezählt hat­te, wird lang­sam durch die neu­en Alten ersetzt, die in ihrer Jugend eben eng­lisch­spra­chi­ge Titel gehört hät­ten, des­halb setzt der Sen­der ver­mehrt auch auf eng­li­sche Hits der sieb­zi­ger und acht­zi­ger Jahre. 

Amorphe Masse

Befürch­tun­gen mei­ner­seits dass sich bei puber­tie­ren­den Teen­agern durch die Hor­mo­ne, oder was auch immer, das Gehirn in eine amor­phe Mas­se ver­wan­delt, oder schlim­mer noch, ver­flüs­sigt, schei­nen unbe­grün­det. Die Ursa­che für das abnor­me Ver­hal­ten in die­sen Jah­ren resul­tiert laut AOK dar­aus, dass im vor­de­ren Hirn­be­reich tau­sen­de Ver­net­zun­gen gekappt wer­den. Ob mich das beru­hi­gen soll, weiß ich nicht so genau. Denn ein­ge­denk der Tat­sa­che, dass der prä­fron­ta­le Cor­tex bei einer 15jährigen offen­sicht­lich nicht ganz ver­an­kert ist, bin ich mir nicht sicher, ob nicht doch bei zu vie­len Kap­pun­gen Tei­le des Gehirn eines Mor­gens neben dem Bett liegen.