Revival

Im Juni 2014 ant­wor­te­te Ste­phen King auf die Fra­ge nach sei­nem neu­en Buch: “Es ist zu Furcht ein­flö­ßend. Ich will über die­ses Buch gar nicht mehr nach­den­ken. Es ist ein fie­ses, düs­te­res Werk. Das ist alles, was ich Ihnen sagen kann.”

Man könn­te mei­nen, das wäre eine beson­ders gute Wer­bung für ein Buch, des­sen Autor Hor­ror­ro­ma­ne schreibt.

Nun wenn dem so ist, so ist es wahr­schein­lich nicht beab­sich­tigt. King ver­ab­schie­det sich von Zeit zu Zeit von der rea­len Welt , um ein­zu­tau­chen in die düs­te­re Phan­ta­sie­welt sei­ner Bücher. Er ist als Erzäh­ler ein Aus­nah­me­ta­lent. Ste­phen King führt den Leser an der Hand, er nimmt in mit in das Reich der Phan­ta­sien. So natür­lich auch wie­der in sei­nem neus­ten Roman: Revival.

Der sechs­jäh­ri­ge Jamie Mor­ton spielt im Jah­re 1962 vor dem Haus im Sand, als ein Schat­ten auf ihn fällt. Die­ser Schat­ten ist der neue Rever­end der Stadt, der zusam­men mit sei­ner wun­der­schö­nen Frau die ört­li­che Kir­che refor­mie­ren soll.
Die Män­ner und Jungs sind alle ein biss­chen ver­liebt in Mrs. Jacobs, die Frau­en und Mäd­chen füh­len das­sel­be für Rever­end Jacobs – auch Jamies Mut­ter und sei­ne Schwes­ter Clai­re. Mit Jamie Mor­ton teilt der Rever­end eine tie­fe­re Ver­bin­dung, die auf einer gehei­men Beses­sen­heit basiert. Als eine Tra­gö­die die Fami­lie Jacobs heim­sucht, ver­flucht die­ser cha­ris­ma­ti­sche Pre­di­ger Gott und ver­lässt den klei­nen Ort.
30 Jah­re spä­ter: Jamie, inzwi­schen Hero­in abhän­gi­ger Gitar­rist, der in ver­schie­de­nen Bands gespielt hat, trifft Charles Jacobs wie­der. Der ehe­ma­li­ge Rever­end ist inzwi­schen als Gauk­ler auf Jahr­märk­ten unter­wegs, um Men­schen von ihren schwe­ren Krank­hei­ten zu hei­len, was tat­säch­lich zu gelin­gen scheint.
Auch von der Hero­in­sucht befreit Jacobs Jamie Mor­ton, der ihn aus Dank­bar­keit als Hel­fer eine Zeit lang beglei­tet und dabei die unfass­ba­ren Hei­lungs­er­fol­ge des Rever­end mit­er­lebt. Die Wege des Rever­ends und Jamie tren­nen sich. Wei­te­re 20 Jah­re spä­ter sol­len sie sich wie­der kreu­zen und Jamie, noch tief in der Schuld des Rever­end, schließt einen Pakt, der dem mit dem Teu­fel gleicht.

Michel Houellebecq — Unterwerfung

Das nun aus­ge­rech­net der Erschei­nungs­tag des Romans mit der Ermor­dung der Jour­na­lis­ten in Paris auf einen Tag fiel, dafür konn­te nie­mand etwas, auch wenn es sicher eini­ge gibt, die in Hou­el­le­becq und sei­nem neu­en Buch zumin­dest ansatz­wei­se eine Art Pro­phe­zei­ung zusam­men fantasieren.

Wel­che Beweg­grün­de nun Michel Hou­el­le­becq für sein neu­es Buch „Unter­wer­fung“ hat­te, ist eigent­lich völ­lig egal, denn es ist so, wie ein gutes Buch sein soll: Nach drei Sei­ten ist der Leser mit­ten­drin in der Geschich­te, mit­ten­drin in Paris im Jah­re 2022, mit­ten­drin im Umbruch und mit­ten­drin in einem Regie­rungs – und Prä­si­den­ten­wech­sel, mit­ten­drin in einer Epo­che, in der die Tren­nung zwi­schen Kir­che und Staat auf­ge­ho­ben ist, mit dem Erge­nis eines isla­misch gepräg­ten Staats, mit­ten in Europa.

Was die Geschich­te auch span­nend macht, ist die Tat­sa­che, dass kei­ne gewalt­sa­me Über­nah­me durch den Islam statt­ge­fun­den hat (oder statt­fin­den wird, ganz wie man will, das Buch spielt ja in der nahen Zukunft), son­dern der demo­kra­ti­sche Pro­zess die revo­lu­tio­nä­re Umge­stal­tung Frank­reichs durch den Islam ermöglicht.

Das Buch ist auch kein islam­feind­li­ches Buch, denn Hou­el­le­becq lässt den Islam erst ein­mal die feh­len­de Ord­nung in Paris wie­der herstellen.

Die Kri­mi­na­li­tät geht zurück, die Arbeits­lo­sig­keit geht zurück, die Sau­dis pum­pen Mil­lio­nen in den Auf­bau isla­mi­scher Schu­len, Poly­ga­mie ist erlaubt. Der Prot­ago­nist, ein Hoch­schul­pro­fes­sor für Lite­ra­tur in Paris, kann dies alles haben und genie­ßen, aber nur als Kon­ver­tit; sozu­sa­gen eine Unter­wer­fungs­ges­te eines Man­nes, der ansons­ten auf­grund sei­ner wis­sen­schaft­li­chen Bil­dung die Exis­tenz eines höhe­ren Wesens als nicht beweis­bar und somit irrele­vant erachtet.

Michel Hou­el­le­becq lädt den Leser auf eine bis­her noch nicht gedach­te Rei­se, genau­so span­nend, iro­nisch und wit­zig, wie erschüt­ternd und erschreckend.

3000 Euro

Ja gut, der Titel klingt ein biss­chen wie die Ein­la­dung zu einem der Schnee­ball­sys­tem­spie­le im Internet.

In dem Fall ist 3000 Euro der Titel eines Buches, dazu eines, das rich­tig gut ist. Tho­mas Mel­le hat es geschrie­ben und es ist sein zwei­tes erfolg­rei­ches Buch von drei­en, die der Jung­au­tor bis­her ver­fasst hat.

Mel­le beschreibt die unglück­li­che Lie­be zwi­schen Anton und Deni­se, die bei­de leid­lich durchs Leben zu kom­men scheinen.

Anton, der ehe­dem auf­stre­ben­de Jura­stu­dent, der in einer Art Kon­sum­rausch alles ver­lo­ren hat und sich als Obdach­lo­ser in einem Wohn­heim wie­der­fin­det, und sich einer eigent­lich lächer­li­chen For­de­rung von 3000 Euro gegen­über sieht. Deni­se, die sich als allein erzie­hen­de Mut­ter und Ver­käu­fe­rin mehr schlecht als recht durch­schlägt und bei einem Por­no als Dar­stel­le­rin 3000 Euro ver­dient. Gemein­sam haben bei­de die Zeris­sen­heit ihres Cha­rak­ters. Antons Melan­cho­lie beschreibt Mel­le so gut, das es aus dem Buch herausschwappt.

Der Autor erzählt die Geschich­te von zwei Men­schen am Rand der Gesell­schaft, die sich in ihrer gan­zen Zer­brech­lich­keit, Schwer­mü­tig­keit und gna­den­lo­sen Rea­lis­mus einer kon­sum­ori­en­tier­ten Gesell­schaft näher kom­men und die­se Nähe den­noch irgend­wann in Fra­ge stellen.

Tho­mas Mel­le ist ein gran­dio­ser Erzähler

Stephen King — Dr.Sleep

Als beken­nen­der Ste­phen King Fan muss ich natür­lich sofort das lesen, was King raus­bringt. Nun ist sein Buch Dr. Sleep bereits vom Vor­jahr, das tut der Sache aber kei­nen Abbruch. King schreibt bis­wei­len schnel­ler, als das der geneig­te Leser lese­tech­nisch fol­gen könn­te. Fast jedes Jahr ein Buch ist schon eine Leis­tung. Ste­phen King zu lesen lohnt immer. Er kann das, was die Kunst des Schrei­bens aus­macht. Der Leser ist bei King vor Ort, sozu­sa­gen mit­ten­drin statt nur dabei.

Kings gro­ße Kunst besteht auch dar­in, die Span­nung zu hal­ten – und das über meist mehr als 600 Sei­ten. Das ist auch in sei­nem neus­ten Roman Dr. Sleep nicht anders. Der Roman setzt auf den ers­ten kom­mer­zi­ell erfolg­rei­chen Roman Kings „Shi­ning“ an.

Zum Inhalt: Der jun­ge Dan Tor­rance ist erwach­sen gewor­den und ver­sucht die schreck­li­chen Ereig­nis­se im Hotel Over­look und sei­ne Visio­nen, das Shi­ning, mit Alko­hol zu bekämp­fen. Die Alko­hol­sucht aller­dings zieht Dan immer wei­ter her­un­ter, bis er schließ­lich in einem klei­nen Städt­chen stran­det, dort Kon­takt zu den anony­men Alko­ho­li­kern fin­det und auf­grund sei­ner para­nor­ma­len Fähig­kei­ten im dor­ti­gen Hos­piz Ster­ben­den in ihrer letz­ten Stun­de Trost spen­den kann. In der Gemein­de ist Dan bald ein ange­se­he­ner Bür­ger, fin­det Freun­de und wird ehr­furchts­voll Dr. Sleep genannt.
Aller­dings soll ihn das Shi­ning bald wie­der ein­ho­len. Die klei­ne Abra Stone nimmt tele­pa­thisch Kon­takt mit ihm auf. Wäh­rend­des­sen fährt eine Sek­ten­ähn­li­che Gemein­schaft schein­bar nor­ma­ler ame­ri­ka­ni­scher Rent­ner im Cam­ping­mo­bil über Land. Die Trup­pe ist aller­dings alles ande­re als nor­mal. Es sind zom­bie­glei­che Krea­tu­ren, die sich vom Todes­hauch, dem soge­nann­ten Steam von Kin­dern ernäh­ren, die das Shi­ning, das zwei­te Gesicht, besit­zen. Das Mäd­chen Abra Stone besitzt es im Über­maß und gerät ins Visier der mör­de­ri­schen Sek­te. Um sie zu ret­ten, weckt Dan die tief in ihm schlum­mern­den Dämo­nen und ruft sie in einen alles ent­schei­den­den Kampf.

Wie immer ein bis zum letz­ten Buch­sta­ben span­nen­des Buch, auch wenn teil­wei­se der Ein­druck ent­steht, King arbei­te sich an sei­nen alten Süch­ten ein wenig ab.

Reinhard Mohr — Bin ich jetzt reaktionär?

In links­in­tel­lek­tu­el­len Leh­rer – und Sozi­al­ar­bei­ter­krei­sen macht man sich bereits ver­däch­tig reak­tio­när zu sein, wenn man zugibt, Hen­ryk M. Bro­der gut zu fin­den. Und ja, ich gebe zu, ich fin­de sei­ne Tex­te fast immer gut. Denn auch wenn Bro­der zuwei­len an die Gren­ze des­sen geht, was man glaubt poli­tisch unkor­rekt ertra­gen zu kön­nen, ist es doch so, dass immer einer über die Gren­ze hin­aus­ge­hen muss, um dem Rest der Repu­blik mit schmerz­haf­ter Genau­ig­keit den Schwach­sinn all­ge­mein akzep­tier­ter Grund­la­gen poli­ti­scher Kor­rekt­heit auf­zu­zei­gen, zumin­dest aber in Fra­ge zu stellen.

Und so stellt sich auch Rein­hard Mohr in sei­nem Buch die Fra­ge: Bin ich bereits reak­tio­när, wenn ich ein­fach nicht mehr dem „gedank­li­chen Main­stream“ lin­ker Gut­men­schen folge?
Ist man bereits ein Spie­ßer, wenn man eine zuneh­men­de Into­le­ranz an sich fest­stellt, die sich z.b. so mani­fes­tiert, dass man Graf­fi­ti nicht mehr als Kunst, son­dern als Schmie­re­rei­en ansieht?
Und ist es nicht so, dass dog­ma­ti­sche Posi­tio­nen den Rech­ten eben­so wie den Lin­ken zu Eigen sind?
Ja, dass Links­ra­di­ka­le und Rechts­ra­di­ka­le bei genaue­rer Sicht der Din­ge, argu­men­ta­tiv oft auf einer Wel­len­län­ge sind?

Inter­es­san­ter Wei­se erle­ben wir ja gera­de heu­te in der Poli­tik, wie sich poli­ti­sche Ansich­ten wan­deln oder an ver­meint­lich poli­ti­sche Geg­ner anglei­chen. Frau von der Ley­en als neue Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rin bei­spiels­wei­se schlägt vor, die Bun­des­wehr fami­li­en­freund­lich zu gestal­ten. Der erwar­te­te Auf­schrei aus der rech­ten Ecke blieb aus, statt des­sen pos­tu­lier­ten die Lin­ken im schöns­ten Reak­tio­närs­sprech von der Unmög­lich­keit von Teil­zeit­krie­gen, wäh­rend die ehe­dem links­ori­en­tier­ten Grü­nen ganz nach kon­ser­va­ti­ver Väter Sit­te die Bezahl­bar­keit des Pro­jekts in Fra­ge stellen.

Muss man da nicht tat­säch­lich Hen­ryk Bro­der Recht geben, der im Nach­wort zu Rein­hard Mohrs Buch die Fra­ge stellt, in wie weit Poli­ti­ker kom­pe­tent sind, die „per Gesetz den glo­ba­len Anstieg der Tem­pe­ra­tur begren­zen wol­len, aber nicht in der Lage sind, einen Flug­ha­fen oder einen Bahn­hof so zu pla­nen, das er auch inner­halb einer über­schau­ba­ren Zeit­span­ne und eines über­schau­ba­ren Bud­gets gebaut wer­den kann“.

Mohrs Buch ist inter­es­sant, auch wenn er sich stre­cken­wei­se in phi­lo­so­phi­schen Exkur­sen verliert.

Gregor Hens-Nikotin

Eines vor­weg: Nicht ganz gefes­tig­te Nicht­rau­cher, die erst seit kur­zem das Rau­chen auf­ge­ge­ben haben, soll­ten das Buch bes­ser nicht lesen. Allein die Beschrei­bung des­sen, was das Niko­tin nach lan­ger Abs­ti­nenz beim Autor ver­ur­sacht, ist Grund genug, sich eine Ziga­ret­te anzu­ste­cken. Der 1965 in Köln gebo­re­ne Gre­gor Hens hat die für die­se Gene­ra­ti­on typi­sche Rau­cher­kar­rie­re hin­ter sich. Dau­er­rau­chen­de Eltern auf lan­gen Auto­fahr­ten, irgend­wann sel­ber ange­fan­gen und weit über hun­dert­tau­send fil­ter­lo­se Ziga­ret­ten geraucht, stellt sich mit Mit­te Vier­zig für fast jeden die Wahl, am Rau­chen zu erkran­ken oder aufzuhören.

Hens ent­schied sich für letz­te­res. Die Beschrei­bung in sei­nem Buch geht weit über das hin­aus, was man sonst an Lite­ra­tur zum The­ma Sucht fin­den könn­te. Die kaf­ka­es­ke Beschrei­bung des­sen, was die Ziga­ret­te für Hens bedeu­tet hat und wie er jetzt als „Rau­cher, der nicht mehr raucht“ mit den Ver­än­de­run­gen, die durch den Ver­zicht das Sucht-Ich zur Höchst­form auf­lau­fen las­sen, ist ein­fach genial.

Die Beschrei­bung der bro­deln­den Sucht, die amei­sen­gleich unter der Ober­flä­che gärt, die Erin­ne­rung an die Ziga­ret­te, die nach lan­ger Abs­ti­nenz, Feu­er­werk­gleich, Niko­tin „in tau­send win­zi­gen Explo­sio­nen in mei­ne Gehirn­win­dun­gen pras­sel­te, das groß­ar­ti­ge Feu­er­werk, das Kit­zeln in den Ner­ven“, den der Rausch der ers­ten Rück­fall­zi­ga­ret­te auslöst.

Hens kommt zu dem Ergeb­nis, dass trotz der gro­ßen Bedeu­tung der Ziga­ret­te, trotz des Sucht­po­ten­zi­als, dass dem von Hero­in wohl nicht unähn­lich ist, trotz des auch nach Jah­ren wie­der­keh­ren­den Sucht­drucks, es nach der Fel­den­krais-Metho­de mög­lich ist, jedem erlern­ten Ver­hal­ten eine Alter­na­ti­ve ent­ge­gen­zu­set­zen, um letzt­end­lich an Frei­heit zu gewinnen

Herzblut — Kluftingers neuer Fall

Beim sieb­ten Fall für den All­gäu­er Kri­mi­nal­haupt­kom­mis­sar geht es dies­mal um einen Seri­en­mör­der, der Klufti in Atem hält. Apro­pos Atem, Kluf­t­in­ger ist ob sei­ner Lei­bes­fü­le ziem­lich kurz­at­mig und sei­ne andau­ern­den Brust­schmer­zen schei­nen ein Syn­onym für die­sen Fall zu sein, bei denen es um eine beson­ders bru­ta­le Mord­se­rie geht, die sich im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes herz­er­grei­fend dar­stel­len; Hen­ning Man­kell lässt grüßen.

In wei­ten Tei­len geht es natür­lich auch um Kluf­t­in­ger, der nach einer falsch ver­stan­de­nen zufäl­li­ge mit­be­kom­me­nen Dia­gno­se einer Hei­zungs­an­la­ge (“Die Pum­pe ist hin, da kann man nix machen”) und sei­ner Brust­schmer­zen bereits die Toten­glöck­chen läu­ten hört und nun ver­sucht, dem Sen­se­mann von der Schüp­pe zu sprin­gen, indem ab sofort Salat statt Käse­spat­zen auf dem Speis­plan ste­hen und Yoga ihm zu inne­rer Ein­kehr ver­hel­fen soll.

Die bei­den Autoren, Vol­ker Klüp­fels und Micha­el Kobrs, die inzwi­schen ihre Haupt­be­ru­fe auf­ge­ge­ben haben und von ihren Büchern leben kön­nen, stel­len ihre Haupt­fi­gur wie­der ein­mal als tech­nik­feind­li­chen, aber sym­pa­thi­schen Toll­patsch dahin, über den gelacht wer­den kann und darf. Sze­nen, wie die der Kon­takt­auf­nah­me mit Soh­ne­manns japa­ni­schem Schwie­ger­va­ters in Spe via Sky­pe sind zwar arg über­zo­gen und las­sen dann doch lei­sen Zwei­fel an der Glaub­wür­dig­keit All­gäu­er Exe­ku­ti­ve auf­kom­men, aller­dings ist der Anspruch der bei­den Autoren in ihren Büchern auch immer Humor gewe­sen und das unter­schei­det wohl­tu­end den All­gäu­er Kom­mis­sar ohne Vor­na­men, von sei­nem schwe­di­schen Kol­le­gen. Gell But­ze­le?

Timur Vermes — Er ist wieder da

Das Buch­co­ver ist ein Hin­gu­cker, kei­ne Fra­ge. Als ich es kurz nach Erschei­nen in einer Buch­hand­lung gese­hen habe, war ich zunächst erschro­cken; Der zwei­te Gedan­ke war: Wem in aller Welt könn­te man ein Buch mit den ein­deu­ti­gen Umris­sen des Kon­ter­feis Adolf Hit­lers schen­ken, aus­ge­nom­men viel­leicht Horst Mahler?

Ich hab’s dann selbst geschenkt bekom­men, gekauft hät­te ich mir das Buch ver­mut­lich nicht. Abge­se­hen vom pro­vo­kan­ten Buch­co­ver stellt sich die Fra­ge: Darf man über Hit­ler lachen? Ja, man darf, aber dar­um geht es in dem Buch von Timur Ver­mes nicht. Und so beeilt sich der Eich­born Ver­lag auch gleich zu erklä­ren, dass es sich bei dem Buch um eine Sati­re han­delt. Sati­re darf bekannt­lich alles.

Die eigent­li­che Frag­wür­dig­keit ist nicht, dass sich ver­mut­lich eini­ge noch Über­len­de des zwei­ten Welt­krie­ges auf den Schlips getre­ten füh­len könn­ten, das Buch ist auch tat­säch­lich nicht humor­frei, ganz im Gegen­teil, eini­ge Stel­len sind sogar beson­ders wit­zig. Es ist auch nicht so, dass man an den wit­zi­gen Stel­len betrof­fen­heits­trun­ken über den Buch­rand schielt, um rechts und links wahr­zu­neh­men, dass einem nie­mand beim Schmun­zeln beob­ach­tet. Dafür ist unse­re Gene­ra­ti­on zu weit weg aus der Zeit des drit­ten Reichs. Nein, das Ver­werf­li­che an die­sem Buch ist, die Dar­stel­lung Adolf Hit­lers als sym­pa­thi­schen Men­schen, der alle Tugen­den in sich ver­eint, die in der heu­ti­gen Zeit viel­leicht nicht mehr ganz modern sind.

Im Spät­som­mer 2011 erwacht Adolf Hit­ler auf einem lee­ren Grund­stück in Ber­lin-Mit­te zu neu­em Leben, star­tet eine Karie­re als Volks­ver­füh­rer im Fern­se­hen und erweist sich als inte­ge­rer, ehr­li­cher ja, rit­ter­li­cher Mensch, dem die Mas­sen schließ­lich wie einst zujubeln.

Natür­lich ist es wit­zig, wenn aus­ge­rech­net Adolf Hit­ler, den Bun­des­vor­sit­zen­den der NPD, Hol­ger Apfel, einen Besuch abstat­tet um fest­zu­stel­len, dass „das zer­bomb­te Ber­lin nicht schlim­mer aus­ge­se­hen hat­te, als die­se trau­ri­ge Figur.“

Und natür­lich ist es auch wit­zig, wenn Hit­ler den ver­lo­ge­nen Poli­tik­stand kri­ti­siert und die Speer­spit­zen der heu­ti­gen Par­tei­en abwech­selnd als „klo­bi­ge Frau mit der Aus­strah­lung einer Trau­er­wei­de“, „pene­tran­ten Wackel­pud­ding“ und „bie­de­re Mast­hen­ne“ tituliert.

Auch wenn das Buch als Sati­re viel­leicht mehr darf als ande­re, ändert das nichts an der Tat­sa­che, dass es geschmack­los erschei­nen muss, nicht über Hit­ler, son­dern mit Hit­ler zu lachen.

Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand

Jonas Jonason erzählt die Geschich­te von Allan Karls­son, der als Exper­te für Spreng­stoff und Schnaps aus Zie­gen­milch, aus Rache an einem Fuchs, der sei­nen Kater getö­tet hat, eigent­lich aber nur die Hüh­ner fres­sen woll­te, sich selbst, den Fuchs und sein gesam­tes Hab und Gut mit­tels einer unter­schätz­ten Men­ge Spreng­stoff, viel­mehr den Lage­r­ort von noch mehr Spreng­stoff auf­grund sei­nes Alters von fast hun­dert Jah­ren, in die Luft spreng­te – und nur knapp über­leb­te, um an sei­nem hun­derts­ten Geburts­tag aus dem Fens­ter im Alten­heim zu klet­tern, in dem er seit Ver­lust sei­nes Hau­ses wohn­te – und verschwand.

Kom­pli­ziert? Nicht doch, das ist das ein­fa­che Ende der Geschichte.

Wenn der Autor erst ein­mal par­al­lel zu den Ereig­nis­sen, vom 02. Mai 2005, exakt dem hun­derts­ten Geburts­tag Allan Karls­sons, erzählt, wird’s rich­tig inter­es­sant. Der Hun­dert­jäh­ri­ge kann schließ­lich alle Grö­ßen die­ser Welt, von Sta­lin über Mao und sons­ti­gen Amt und Wür­den­trä­gern, zu sei­nen Freun­den oder zumin­dest Trink­kum­pa­nen zählen.

Der Hun­dert­jäh­ri­ge, der aus dem Fens­ter stieg und ver­schwand ist ein Roman, geschrie­ben aus Spaß am Erzäh­len, der Spaß am Lesen macht.