Der kleine Bruder

Sven Rege­ners neu­es Buch schließt die Tri­lo­gie um Herrn Leh­man mit „Der klei­ne Bru­der“ ab. Frank Leh­mann ist auf dem Weg nach Ber­lin zu sei­nem Bru­der Man­ni, den die Mit­be­woh­ner der vor­ge­fun­de­nen WG nur unter Fred­di ken­nen und der angeb­lich ein gro­ßer Künst­ler ist. Der ist aller­dings nicht da und von sei­nen Freun­den will nie­mand so recht wis­sen, wo Man­ni, ali­as Fred­die ist. So beschließt die Wohn­ge­mein­schaft, alle­samt Lebens­künst­ler, Herrn Leh­mann anstel­le des Bru­ders an dem kurz­fris­tig anbe­raum­ten Kri­sen­ple­num teil­neh­men zu las­sen. H. Leh­mann lernt in den nach­fol­gen­den Ber­li­ner Näch­ten viel über die Kunst zu leben und die Befind­lich­kei­ten sei­ner neu­en Freun­de, aber auch eini­ges über sei­nen von ihm hoch­ge­lob­ten Bruder.

Der Front­mann der Ber­li­ner Band Ele­ment of Crime und Schrif­st­stel­ler, Sven Rege­ner schafft auch nach den bei­den Büchern, Herr Leh­mann und Neue Vahr Süd, in sei­nem neu­en Buch die unver­wech­sel­ba­re Schnodd­rig­keit sei­nes Prot­ago­nis­ten unter­halt­sam zu beschreiben.

Ein fliehendes Pferd

Die Erzäh­lung Mar­tin Walsers von 1978 hat in der Aktua­li­tät nichts ein­ge­büßt. Wal­ser beschreibt in sehr kon­zen­trier­ten Wor­ten die Kri­se zwei­er Män­ner um das Älter­wer­den: Die Halms fah­ren seit Jah­ren an den glei­chen Urlaubs­ort am Boden­see. Ober­stu­di­en­rat Hel­mut Halm genießt die „ver­trau­te Fremd­heit“; mit sei­ner Frau Sabi­ne ver­steht er sich ohne vie­le Wor­te. An dem ange­stan­de­nen Urlaubs­ort der Halms kommt es zur Begeg­nung mit dem längst ver­ges­se­nen Jugend – und Stu­di­en­freund Klaus Buch, der das genaue Gegen­teil des Ober­stu­di­en­rats zu sein scheint. Agil und aske­tisch prä­sen­tiert sich Klaus Buch mit sei­ner wesent­lich jün­ge­ren Frau Hele­ne. Der fit­ness­be­ses­se­ne Klaus ver­sucht den Freund aus längst ver­gan­gen Tagen aus sei­ner ver­meint­li­chen Lethar­gie zu rei­ßen. Hel­mut fühlt sich ob der vie­len Akti­vi­tä­ten gereizt, noch mehr, als ihm sei­ne Gat­tin zu ver­ste­hen gibt, sich von Klaus Buch kör­per­lich ange­zo­gen zu füh­len. Mehr und mehr wird aller­dings klar, dass Klaus Buch mit sei­ner über­schäu­men­den Akti­vi­tät nur sei­ne Mid­life Cri­sis zu meis­tern ver­sucht. Bei einem Segel­törn der bei­den Män­ner nimmt das Gesche­hen eine unge­ahn­te Wende.

Stephen King — Puls

Der Stoff in Ste­phen Kings Werk „Puls“ scheint ziem­lich mager, um dar­aus eine 528 Sei­ten star­ken Hor­ror­ge­schich­te zu machen. King wäre nicht King, wenn ihm das nicht gelän­ge. In sei­nem, im Jahr 2006 erschie­nen, Buch geht es vor­nehm­lich um Men­schen, die mit­tels eines aus­ge­strahl­ten Impul­ses über das Han­dy ihres Ver­stan­des beraubt wor­den sind und zu fern­ge­steu­er­ten Zom­bies mutieren.
Zum Inhalt:
Comic- und Skiz­zen­zeich­ner Clay Rid­del ist geschäft­lich in Bos­ton unter­wegs. Beim Spa­zier­gang durch die Stadt muss er mit anse­hen, wie ein Groß­teil der Men­schen, die ein Han­dy am Ohr haben, plötz­lich Amok lau­fen, über­ein­an­der her­fal­len und sich wie Tie­re zer­fetz­ten. Clay kommt schnell dahin­ter, dass das Han­dy der Aus­lö­ser ist. In Sor­ge um sei­ne Fami­lie schlägt sich Rid­del mit ein paar „nicht Han­dy Ver­rück­ten“ nach Nor­den durch.

Viel­schrei­ber Ste­phen King schafft es auch in die­sem Roman, die Span­nung bis zur let­zen Sei­te zu hal­ten und die Dra­ma­tik so zu beschrei­ben, dass man sich, bevor man in den Kel­ler geht, davon über­zeugt, nie­man­den hin­ter der Tür ste­hen zu haben.

Ein apo­ka­lyp­ti­scher Hor­ror­thril­ler, span­nend von der ers­ten bis zur letz­ten Seite.

Neues aus dem Allgäu

Kom­mis­sar Kluf­t­in­ger ist eine Kapa­zi­tät in Sachen kri­mi­na­lis­ti­schen Fein­sinns. Im ruhi­gen All­gäu “passiert’s hoalt nix, woas mir net mitt­krie­ge täte“ wür­de sein Chef Loden­ba­cher for­mu­lie­ren. Der neus­te Kri­mi der bei­den Autoren Vol­ker Klüp­fel und Micha­el Kobr ist nach den Büchern “See­grund”, “Ern­te­dank” und “Milch­geld” um den All­gäu­er Kom­mis­sar wie­der gelun­ge­nen. Mit fei­ner Beob­ach­tungs­ga­be für All­täg­lich­kei­ten schi­cken die Zwei in „Lai­en­spiel“ Kom­mis­sar Kluf­t­in­ger in einen Fall, in dem das BKA, die öster­rei­chi­sche Lan­des­gen­dar­me­rie in Form des schmud­de­li­gen Kom­mis­sar Byd­lin­ski und die All­gäu­er Beam­ten vor Ort zusam­men arbei­ten müssen.
Er hat’s aber auch nicht leicht. Nicht nur dass sich das ehe­dem tech­nisch über­schau­ba­re Bespre­chungs­zim­mer der All­gäu­er Dienst­wa­che in mit Com­pu­tern auf­ge­rüs­te­ten „War-Room“ ver­wan­delt, Ehe­frau Eri­ka hat ihn auch noch an sein Ver­spre­chen erin­nert, einen Tanz­kurs zu besu­chen. Neben­bei ist Klufti in der Alt­us­rie­der Lai­en­spiel­schar einer der Akteu­re für die Rol­le in einem Thea­ter­stück. Zwi­schen Schuh­kauf, Grill­aben­de und Thea­ter­pro­ben ist Kluf­t­in­ger dies­mal in eine Ermitt­lungs­grup­pe des BKA ein­ge­bun­den, die den mys­te­riö­sen Fall um Ter­ro­ris­mus auf­zu­klä­ren haben.

Auch wer das All­gäu nicht kennt und kein Kri­mi­freund ist; Kluf­t­in­gers vier­ter Fall ist ein kurz­wei­li­ges Buch mit viel Sinn für fei­nen Humor.

Neues von der Leipziger Buchmesse

„Hygie­ne wird bei mir klein­ge­schrie­ben“ unter­ti­telt die Autorin Char­lot­te Roche ihren Debüt­ro­man „Feucht­ge­bie­te“. Und tat­säch­lich, gleich auf den ers­ten Sei­ten prä­sen­tiert die Roman­hel­din in dras­ti­scher Art ihr Ver­hält­nis zu Exkre­men­ten, Blut und Eiter. Bukow­ski lässt grü­ßen. Die acht­zehn­jäh­ri­ge Helen Memel liegt nach einer ver­un­glück­ten Intim­ra­sur im Kran­ken­haus und ver­sucht durch ihren Kran­ken­haus­auf­ent­halt die geschie­de­nen Eltern wie­der zusam­men­zu­brin­gen. Unter­des­sen erkun­digt sie Ihren Kör­per und lässt die Gedan­ken zu wil­den Phan­ta­sien wer­den – die sie frech und pro­vo­kant bereit ist auch ande­ren, wie dem Kran­ken­pfle­ger Robin, mit­zu­tei­len. Dabei zieht sich die Sehn­sucht nach einer hei­len Fami­li­en­welt wie ein roter Faden durch den Roman und steht schein­bar im kras­sen Wider­spruch zu den Din­gen, die sie tut, um die letz­ten Tabus der heu­ti­gen Zeit pro­vo­kant zu bre­chen. Dras­tisch, unz­im­per­lich mit einem fei­nen Sinn für Humor prä­sen­tiert Char­lot­te Roche ihr Erst­lings­werk, das aller­dings nichts für Zart­be­sai­te­te ist. 

Was Sie über Restaurants nie wissen wollten

Antho­ny Bour­da­in ist Küchen­chef der fran­zö­si­schen Bras­se­rie Les Hal­les in New York. Neben dem Kochen schreibt Bour­da­in Bücher, die die har­te Welt der Gas­tro­no­mie auf­zei­gen. In sei­nem wohl bekann­tes­ten Buch “Geständ­nis­se eines Küchen­chefs” beschreibt er sei­ne Erfah­run­gen in zahl­rei­chen Küchen und gibt einen Blick hin­ter die Kulis­sen New Yor­ker Gastronomie.



"Die Hälse und Handgelenke aller Köche waren rot entzündet und von grässlichen Hitzeausschlägen entstellt. Beim Umziehen in den stinkenden, septischen Umkleideräumen des Rooms am Ende der Schicht bot sich ein grausiges Panorama dermatologischer Kuriositäten dar. Man sah Geschwüre, Pickel, eingewachsene Haare, Ausschläge, Geschwulste, Schnitte und Hautfäule von einem Schweregrad und einer Vielfalt, wie man sie vielleicht im Dschungel erwartet hätte."

Geständ­nis­se eines Küchen­chefs [ISBN: 3–89667-166–9]

Eva und der Apfel [Kuchen]

Die ehe­ma­li­ge Tages­schau­spre­che­rin und jet­zi­ge Buch­au­to­rin Eva Her­man hat nach­ge­legt. Ein wei­te­res Buch über die hei­me­li­ge Welt des Apfel­ku­chens. „Lie­be Eva Her­man“, so der Buch­ti­tel, beinhal­tet die gesam­mel­ten Zuschrif­ten der Leser ihres ers­ten Buches „Das Eva Prin­zip.“ Nun kann man Frau Her­man alles mög­li­che vor­wer­fen, aber nicht das sie die Tak­tik der Tot­schlag­ar­gu­men­ta­ti­on nicht beherrscht. Mit ihren The­sen im ers­ten Buch hat sie so Recht, wie es Tat­sa­che ist, dass die Leu­te frü­her zu Bett gegan­gen sind, als es noch kei­nen Strom gab.

Wer­be­wirk­sam fabu­liert Eva Her­man dann auch in spie­gel-online:“Wir müs­sen uns dem beu­gen, dem der uns gemacht und der hat Mann und Frau vor­ge­se­hen. Er [der Mann] hat eine ande­re Auf­ga­be. Er ist dafür wich­tig dass er die Frau beschützt und schützt und stützt.“ Der Satz dürf­te man­chem Anhän­ger des deut­schen Idea­lis­mus die Freu­den­trä­nen in die Augen schie­ßen las­sen, stützt sie doch Hegels The­se vom „sub­stan­ti­el­len Dasein des Man­nes im Kampf“.

Das Buch in die aktu­el­le Debat­te um den „Gebär­ma­schi­nen­streit“ im Zusam­men­hang mit den For­de­run­gen von der Ley­ens nach mehr Kin­der­be­treu­ung zu plat­zie­ren, zeugt indes von unter­neh­me­ri­schen Qua­li­tä­ten — glück­li­cher­wei­se muss­te Eva Her­man nicht auch noch Apfel­ku­chen backen.