Söder als Bundeskanzler?

Bay­erns Minis­ter­prä­si­dent Mar­kus Söder ist wohl das Sinn­bild für einen macht­hung­ri­gen Oppor­tu­nis­ten schlecht­hin. Er hat ohne Pro­ble­me den Schwenk von der Anbie­de­rung an die AFD zum Bie­nen­ret­ter und Bäu­me­um­ar­mer über­stan­den. Söder ist ein genia­ler und skru­pel­lo­ser Tak­ti­ker wenn es um die eige­ne Sache geht, das hat er bereits im Jah­re 2018 bewie­sen, als er den dama­li­gen Minis­ter­prä­si­den­ten Horst See­ho­fer vom Stuhl fegte. 

Das was Söder ver­kör­pert geht weit über Schlitz­oh­rig­keit hin­aus. Vie­le Bür­ger ficht das wenig an: Der über­wie­gen­de Teil der Deut­schen sieht in CSU-Chef Mar­kus Söder den geeig­ne­te­ren Kanz­ler­kan­di­da­ten der Uni­on. Das geht aus einer aktu­el­len Umfra­ge her­vor, schreibt der Tages­spie­gel.

Was nun den Teil der Deut­schen anbe­langt, die Söder als den geeig­ne­te­ren Bun­des­kanz­ler anse­hen oder zumin­dest erst ein­mal als bes­se­ren Kan­di­da­ten anse­hen, kann man nur mit dem Kopf schüt­teln und den Grün­der­vä­tern unse­res Staats­sys­tems für das Kon­strukt der reprä­sen­ta­ti­ven Demo­kra­tie dan­ken. Die Umfra­ge weist dar­auf hin, dass eini­ge Bürger*innen offen­sicht­lich nicht in der Lage sind abzu­schät­zen, wel­chen Scha­den ein popu­lis­ti­scher Oppor­tu­nist als Bun­des­kanz­ler anrich­ten könnte. 

Ein wenig Oppor­tu­nis­mus ist einem Wahl­amt durch­aus zuträg­lich, ein Bun­des­kanz­ler oder eine Bun­des­kanz­le­rin muss aller­dings die Cha­rak­ter­stär­ke mit­brin­gen, eige­ne Wün­sche und Zie­le dem Wohl der Bun­des­re­pu­blik unter­zu­ord­nen. Zudem darf es bei den Reprä­sen­tan­ten des Staa­tes kei­nen Zwei­fel am Fest­hal­ten der strik­ten Tren­nung zwi­schen Kir­che und Staat geben. Ein welt­li­cher Staat ist unab­ding­bar für eine fun­dier­te auf wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­sen beru­hen­de und damit pro­spe­rie­ren­de Gesell­schaft, frei von Bauch­ge­fühl und Aber­glau­ben. Man den­ke mit Schre­cken an die Quo­ten­frau und Bun­des­bil­dungs­mi­nis­te­rin Anja Kar­lic­zek, die die Wis­sen­schaft sei­ner­zeit der Bibel unter­ord­nen wollte. 

Söder begab sich vor drei Jah­ren auf einen Kreuz­zug zur Ret­tung der Kru­zi­fi­xe an den Wän­den baye­ri­scher Behör­den und das zeugt auch nicht gera­de von einem aus­ge­präg­ten Ver­ständ­nis eines säku­la­ren Staats. 

Einen popu­lis­ti­schen baye­ri­schen Minis­ter­prä­si­den­ten und eine fröm­meln­de Bun­des­bil­dungs­mi­nis­te­rin kann die Bun­des­re­pu­blik viel­leicht ver­kraf­ten, als Bun­des­kanz­ler, der die poli­ti­sche Rich­tung des Staa­tes vor­gibt, sind Poli­ti­ker mit sol­chen Cha­rak­ter­ei­gen­schaf­ten nicht geeignet. 

Grenzenlose Gier

„Demo­kra­tie ist die schlech­tes­te aller Regie­rungs­for­men“, soll der bri­ti­sche Pre­mier­mi­nis­ter Win­s­ton Chur­chill gesagt haben, wobei meist der Nach­satz unter­schla­gen wird:“ [..]abge­se­hen von all den ande­ren For­men, die von Zeit zu Zeit aus­pro­biert wor­den sind.” 

Rein in die Kar­tof­fel, raus aus den Kar­tof­feln, so könn­te der­zeit der Poli­tik­be­trieb beschrie­ben wer­den. Aber ist das wirk­lich so? Poli­tik in einer Demo­kra­tie ist vor allem zäh, sie muss Kom­pro­mis­se ein­ge­hen, Argu­men­te wer­den abge­wo­gen. Pro­zes­se dau­ern, weil Mei­nun­gen nun mal so ver­schie­den sind wie die Menschen. 

Zudem wer­den Par­la­men­te aus Kal­kül oder von Par­tei­en, denen ist nicht so sehr um Pro­blem­lö­sun­gen, denn um Stör­ak­tio­nen im Par­la­ment geht, aus­ge­bremst. Die rechts­na­tio­na­le AFD bei­spiels­wei­se beschäf­tigt den Bun­des­tag oft und ger­ne mit Anfra­gen, die oft­mals nur der Dif­fa­mie­rung die­nen. Indes — eine sta­bi­le Demo­kra­tie hält auch Dem­ago­gen aus. 

Nach­hal­tig beschä­digt wird eine Demo­kra­tie und damit ein Par­la­ment vor allem dann, wenn es den Volks­ver­tre­tern ver­meint­lich oder tat­säch­lich nur noch um die eige­ne Berei­che­rung geht. 

Wer sich als Minis­ter eine Vil­la leis­tet, die mehr als vier Mil­lio­nen Euro kos­tet, hat den Bezug zum Nor­mal­bür­ger verloren. 

Wer sich als Poli­ti­ker für einen Deal mit not­wen­di­gem Schutz­ma­te­ri­al für die Bevöl­ke­rung auf lukra­ti­ve Schmier­geld­zah­lun­gen ein­lässt, han­delt unethisch.

Ein Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ter erhält ein Grund­ge­halt [Auf­wands­ent­schä­di­gung] von 10.083 Euro im Monat, dane­ben steht jedem Abge­ord­ne­ten eine steu­er­freie Auf­wands­pau­scha­le von 4560 Euro zu.

Das ist mehr als vier­mal so viel wie der Durch­schnitts­ver­dienst in Deutsch­land. Es gibt kei­ne beson­de­ren vor­ge­schrie­be­nen Qua­li­fi­ka­tio­nen für die­sen Beruf, wie das nor­ma­ler­wei­se in die­ser Gehalts­klas­se in der frei­en Wirt­schaft gefor­dert wird. 

Die guten Gehäl­ter wer­den gemein­hin akzep­tiert, sie sol­len die gewähl­ten Volks­ver­tre­ter unab­hän­gig und unbe­stech­lich machen. Der Sou­ve­rän kann erwar­ten, dass die Par­la­men­te unab­hän­gi­ge Ent­schei­dun­gen tref­fen, die die Lebens­um­stän­de ihrer Wäh­ler ver­bes­sern – oder wie im Fall der Pan­de­mie – Kri­sen meistern.

Poli­ti­ker die sich dem Ver­dacht der Kor­rupt­heit oder der Gier aus­set­zen, beschä­di­gen die Demo­kra­tie und zwar nach­hal­tig. Mei­ner Ansicht nach sind stren­ge­re Regeln not­wen­dig. Gel­der von Auf­sichts­rats­tä­tig­kei­ten soll­ten an gemein­nüt­zi­ge Stif­tun­gen abge­führt wer­den. Lob­by­re­gis­ter eine Vor­teils­nah­me zumin­dest ein­schrän­ken, Neben­tä­tig­kei­ten begrenzt wer­den. Alle Neben­ein­künf­te müs­sen hin­ter­fragt wer­den, Par­la­men­ta­ri­er soll­ten sich schließ­lich voll­um­fäng­lich auf ihre eigent­li­chen Auf­ga­ben kon­zen­trie­ren, so will es auch das Gesetz.

Nur so wird aus einer Kri­se kei­ne Kri­se der Demokratie. 

App gegen Corona – eine gute Idee?

Die Zahl der Infi­zier­ten mit dem Coro­na-Virus kennt nur einen Weg – nach oben. Jeden Tag neue Hor­ror­zah­len und damit auch die Gefahr, voll­ends die Kon­trol­le über die Rück­ver­folg­bar­keit der Infi­zier­ten zu ver­lie­ren. Schon wer­den von allen Sei­ten Stim­men nach einer App laut, die das Track­ing­ver­hal­ten der Nut­zer auf­zeich­net. Man erhofft sich so eine Rück­ver­folg­bar­keit und even­tu­el­len Kon­tak­ten der mit dem Coro­na-Virus infi­zier­ten Han­dy-Nut­zer. Der Daten­schutz müs­se an die­ser Stel­le zurück­tre­ten, so die Meinung. 

Armin Laschet ver­stieg sich gar in der Talk­show “Anne Will” am ver­gan­ge­nem Sonn­tag zu der Aus­sa­ge, man müs­se die „Track­ing-App muss man aus ideo­lo­gi­schem Streit um den Daten­schutz her­aus­ho­len“. Abge­se­hen davon, dass Daten­schutz kein ide­lo­gi­scher Streit, son­dern ein Grund­recht ist, sind die Argu­men­te des Minis­ter­prä­si­den­ten und derer, die dem Daten­schutz von jeher wenig abrin­gen kön­nen, ein­fach nur Unsinn. 

Es braucht schlicht­weg kei­nen Daten­schutz und kei­ne Daten­schutz­grund­ver­ord­nung, wenn die­se in beson­de­ren Situa­tio­nen immer wie­der außer Kraft gesetzt wer­den kann. 

Denn- wo fängt das an und wo hört das auf? Wird der Daten­schutz an die­ser Stel­le mit der Begrün­dung der Sicher­heit der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger außer Kraft gesetzt, wer­den sich sehr schnell, auch nach der Pan­de­mie, Grün­de fin­den las­sen die ein berech­tig­tes Inter­es­se an der Außer­kraft­set­zung finden. 

Weit über die Ver­let­zung der Daten­schutz­rech­te des ein­zel­nen dürf­te die Tech­nik dem Ruf nach einer Track­ing App die Sinn­lo­sig­keit min­des­tens in den vie­len länd­li­chen Gebie­ten in Deutsch­land vor Augen füh­ren. Die Ortung und damit die Rück­ver­fol­gung des Bewe­gungs­pro­fils ist zwar in den letz­ten Jah­ren genau­er gewor­den, eine ziel­ge­naue und somit “anste­ckungs­re­le­van­te” Posi­ons­or­tung ist jedoch kaum möglich. 

Für den Ein­satz einer Track­ing App zur Ver­fol­gung des Bewe­gungs­pro­fils ist in einem Bereich von ca. 300 Metern genau und das natür­lich auch nur, wenn GPS auf dem Han­dy ein­ge­schal­tet ist. Zudem funk­tio­niert die die satel­li­ten­ba­sier­te GPS Ortung mehr schlecht als recht in Räu­men – also genau da wo eine Rück­ver­folg­bar­keit auf­grund von Anste­ckung Sinn machen würde. 

Die zwei­te Mög­lich­keit ist die Funk­or­tung über die Sen­de­mas­ten, die aller­dings in länd­li­chen Gebie­ten so unge­nau ist, dass sie für die­sen Zweck völ­lig unbrauch­bar ist. 

Für eine Nach­ver­fol­gung von Bewe­gungs­pro­fi­len muss zudem gewähr­leis­tet sein, dass mög­lichst jeder Han­dy­nut­zer die tech­ni­schen Vor­aus­set­zun­gen für das Ver­fol­gen sei­nes Bewe­gungs­pro­fils zulässt. 

Beim Blick auf Chi­na kann es einem Daten­schüt­zer jeden­falls nur grau­sen. Die Chi­ne­sen haben das Über­wa­chen ihrer Bür­ger mit dem Argu­ment der Pan­de­mie perfektioniert. 

Die „Gesund­heits-App“ die dort zum Ein­satz kommt spei­chert per QR-Code neben den per­sön­li­chen Daten Kon­takt­punk­te der Orte, die der Smart­phone Besit­zer auf­sucht. Ohne die­se App und die Bereit­schaft per QR-Code sei­ne infor­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung über Bord zu wer­fen, ist der Zutritt zu Super­märk­ten, Restau­rants und Ein­rich­tun­gen des öffent­li­chen Lebens untersagt. 

Schö­ne neue Welt.