Reinhard Mohr — Bin ich jetzt reaktionär?

In links­in­tel­lek­tu­el­len Leh­rer – und Sozi­al­ar­bei­ter­krei­sen macht man sich bereits ver­däch­tig reak­tio­när zu sein, wenn man zugibt, Hen­ryk M. Bro­der gut zu fin­den. Und ja, ich gebe zu, ich fin­de sei­ne Tex­te fast immer gut. Denn auch wenn Bro­der zuwei­len an die Gren­ze des­sen geht, was man glaubt poli­tisch unkor­rekt ertra­gen zu kön­nen, ist es doch so, dass immer einer über die Gren­ze hin­aus­ge­hen muss, um dem Rest der Repu­blik mit schmerz­haf­ter Genau­ig­keit den Schwach­sinn all­ge­mein akzep­tier­ter Grund­la­gen poli­ti­scher Kor­rekt­heit auf­zu­zei­gen, zumin­dest aber in Fra­ge zu stellen.

Und so stellt sich auch Rein­hard Mohr in sei­nem Buch die Fra­ge: Bin ich bereits reak­tio­när, wenn ich ein­fach nicht mehr dem „gedank­li­chen Main­stream“ lin­ker Gut­men­schen folge?
Ist man bereits ein Spie­ßer, wenn man eine zuneh­men­de Into­le­ranz an sich fest­stellt, die sich z.b. so mani­fes­tiert, dass man Graf­fi­ti nicht mehr als Kunst, son­dern als Schmie­re­rei­en ansieht?
Und ist es nicht so, dass dog­ma­ti­sche Posi­tio­nen den Rech­ten eben­so wie den Lin­ken zu Eigen sind?
Ja, dass Links­ra­di­ka­le und Rechts­ra­di­ka­le bei genaue­rer Sicht der Din­ge, argu­men­ta­tiv oft auf einer Wel­len­län­ge sind?

Inter­es­san­ter Wei­se erle­ben wir ja gera­de heu­te in der Poli­tik, wie sich poli­ti­sche Ansich­ten wan­deln oder an ver­meint­lich poli­ti­sche Geg­ner anglei­chen. Frau von der Ley­en als neue Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rin bei­spiels­wei­se schlägt vor, die Bun­des­wehr fami­li­en­freund­lich zu gestal­ten. Der erwar­te­te Auf­schrei aus der rech­ten Ecke blieb aus, statt des­sen pos­tu­lier­ten die Lin­ken im schöns­ten Reak­tio­närs­sprech von der Unmög­lich­keit von Teil­zeit­krie­gen, wäh­rend die ehe­dem links­ori­en­tier­ten Grü­nen ganz nach kon­ser­va­ti­ver Väter Sit­te die Bezahl­bar­keit des Pro­jekts in Fra­ge stellen.

Muss man da nicht tat­säch­lich Hen­ryk Bro­der Recht geben, der im Nach­wort zu Rein­hard Mohrs Buch die Fra­ge stellt, in wie weit Poli­ti­ker kom­pe­tent sind, die „per Gesetz den glo­ba­len Anstieg der Tem­pe­ra­tur begren­zen wol­len, aber nicht in der Lage sind, einen Flug­ha­fen oder einen Bahn­hof so zu pla­nen, das er auch inner­halb einer über­schau­ba­ren Zeit­span­ne und eines über­schau­ba­ren Bud­gets gebaut wer­den kann“.

Mohrs Buch ist inter­es­sant, auch wenn er sich stre­cken­wei­se in phi­lo­so­phi­schen Exkur­sen verliert.