Handymanie

von Peter Lohren

Was, sie haben kein Handy," fragte mich vor kurzem jemand ernsthaft erstaunt. Der unglaubliche Ausdruck in seinem Gesicht hätte ein intensiveres Nachfragen erlaubt, aber der Mann wollte mir nicht zu nahe treten, deshalb beließ er es bei einem mitleidigen Kopfschütteln. Um ganz sicherzugehen, nicht vielleicht einen kompletten Vollidioten vor sich zu haben, kam dann doch noch die Nachfrage: "Aber einen Internetanschluss, den haben sie doch, oder?" Ich hätte ihm nun einen Vortrag über meine durch nichts zu erschütternde Vision einer digitalen Revolution erzählen können, ließ es aber bleiben, murmelte was von zahlreichen e-mail Adressen und wechselte das Thema.


  Infolge dieses kurzen Dialogs überlegte ich in den nächsten Tagen ernsthaft, was ich wohl alles in meinem Leben verpassen würde, wenn ich meiner Ablehnung zum Handy treu bleiben wollte. In Gedanken, völlig abgeschirmt dieser Art von Kommunikationstechnologie irgendwann mal einer der wenigen zu sein, die sich nicht von einem piepsenden Etwas tyrannisieren zu lassen, beschloss ich dem Phänomen Handy mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.


  Ich möchte an dieser Stelle das Ergebnis meiner Beobachtungen vorwegnehmen. Ich glaube, nein ich bin fest davon überzeugt, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Erlahmen der Wirtschaft und dem Wissen der Erreichbarkeit eines jeden einzelnen gibt. Sie glauben das nicht? Versuchen sie mal schnellstmöglich einem x-beliebigen Laden beispielsweise ein Ersatzteil für ein Motorrad zu bekommen. Sie kommen mit ihren Erklärungen bis zum ersten Handyklingeln, garantiert.


  Entschuldigung, was wollten sie noch gleich? Ich versuchte es ein zweites Mal:" Der Anlasser ist kaputt, ich...........", tüdelüt, " 'tschuldigung, ja?. Nein, nein, sie müssten mir das Teil schon vorbeibringen, so am Telefon kann ich dazu nichts sagen. Ok, morgen dann, ja tschüss." Der Spezialist in Sachen Motorradteile wendet sich nun wieder mir zu:" Also, am besten du gehst erst mal hinten in die Werkstatt und schraubst den Anlasser............ tüdelüt." Ja bitte?, sicher, die Teile sind angekommen, ja ich rufe an, wenn noch was fehlen sollte, ja klar, Danke." Derweil stehe ich etwas fremd in der Werkstatt des Ladenbesitzers und überlege ernsthaft, wie ich dem Mann am Telefon die Problematik meines Motorrades klarmachen soll ohne ständig unterbrochen zu werden. Ich erspare hier die ausführliche Schilderung über den Verlauf des Gesprächs, nur soviel, ich hoffe auf ein baldiges Wiedersehen eines intakten Anlassers.


  Bei näherer Betrachtung des Phänomens Handy erwies sich meine Theorie in der folgende Woche als zutreffend. Ein anderer Laden, dasselbe Prozedere. "Guten Tag, ich hätte gerne ............." Tüdelüt. "Moment, bin gleich bei ihnen." Derweil der Mann telefonierte, konnte ich in aller Ruhe die Auslage beobachten, die allerdings nicht sonderlich interessant war, denn ich befand mich in einem Getränkeladen. "So, jetzt zu ihnen, was wollten sie doch gleich?" Ich hätte gerne drei Fass Bier und eine..........." tüdelüt. Himmelarschundwolkenbruch. Das verdammte Telefon fing an, mir den letzten Nerv zu rauben, schließlich stand ich jetzt schon geschlagene zwanzig Minuten in dem Laden und konnte in dieser nutzlosen Zeit dem Ladenbesitzer nicht klarmachen, was ich eigentlich wollte.     Ich wurde also langsam ärgerlich. " Hören sie, wenn es ihre geschätzte Aufmerksamkeit erlaubt, würde ich gerne einige Spirituosen bei ihnen erwerben, aber nur, wenn es sie nicht allzu sehr belastet, ich meine, wenn sie es schaffen sollten, in den nächsten fünf Minuten nicht ans Telefon zu gehen. "Ja, ja schon gut, sie sehen doch, was hier los ist." Was hier los ist?, fragte ich mich, soweit wie ich das sehen konnte, war ich der einzige Kunde in dem riesen Laden. "Ok, also ich hätte gerne drei Fass Bier, eine Zapfanlage und den ganzen Kram, den man für eine Party braucht." "Drei Fass Bier, mein lieber Mann, die kann ich ihnen in der Kürze der Zeit nicht mehr besorgen, warum haben sie denn nicht vorher angerufen, haben sie denn kein Handy?"

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